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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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zu unserer Heimfahrt waren noch viele Stunden totzuschlagen. Um die Wahrheit zu sagen, glaube ich nicht, dass Gloria oder ich damals große Hoffnung hatte, dass Matthew noch am Leben war. Ich fragte Gloria, ob sie mir die Gegend zeigen wolle, wo sie früher gelebt hatte, aber sie lehnte ab. Das könnte sie nicht auch noch ertragen, sagte sie, und ich kam mir herzlos vor, überhaupt gefragt zu haben.
      Es hörte auf zu regnen, und die Sonne versuchte, sich durch die ausgefransten Wolken zu kämpfen. Wir spazierten durch den St. James's Park, vorbei an den Sperrballons und Flakgeschützen Richtung Oxford Street. Wir kauften ein bisschen ein, obwohl wir uns nicht richtig darüber freuen konnten. Immerhin mussten wir so eine Weile nicht an Matthew denken. Auf der Charing Cross Road kaufte ich die neuste Lektüre von Graham Greene, Ministerium der Angst, und dazu die letzten beiden Ausgaben der Literaturzeitschrift Penguin New Writing, den neuesten Horizon und ein paar gebrauchte Klassiker von Trollope und Dickens für die Leihbibliothek.
      Gloria erstand ein schwarz-weiß-rot kariertes Dorville-Kleid bei John Lewis. Es kostete drei Pfund fünfzehn Shilling und elf Marken. Sie überredete mich, ein Zweckkleid von Norman Hartneil in einem Geschäft in der Nähe für nur drei Pfund und neun Marken zu kaufen.
      Nachdem wir Fish and Chips gegessen hatten, gingen wir ins Carlton am Haymarket, um uns Gary Cooper und Ingrid Bergman in Wem die Stunde schlägt anzusehen. Das war mein erster Film in Technicolor, da Farbfilme noch nicht bis nach Harkside vorgedrungen waren. Da ich den Roman von Hemingway nicht gelesen hatte, konnte ich nicht beurteilen, wie eng an der Vorlage der Film war.
      Es wurde schon dunkel, als wir wieder auf die Haymarket Street traten, und Gloria schlug vor, die U-Bahn zurück nach King's Cross zu nehmen.
      Die Verdunkelung in London ist schwer zu beschreiben, besonders auf einer so großen, geschäftigen Straße wie Haymarket. Da es nirgends richtig still wurde, wurde es auch niemals richtig dunkel. Man sah die scharfen Umrisse und Gesimse der Häuser in abgestuften Dunkeltönen vor dem Abendhimmel. Wenn der Halbmond hinter einer Wolke hervorkam, glänzte alles einen Augenblick lang in seinem fahlen Licht und verschwand dann wieder.
      So wie Blinde ein empfindlicheres Gehör entwickeln, fiel mir der Lärm am stärksten auf. Fernes Rufen und Pfeifen, Motorengeräusch, Gelächter und Gesang aus einem Pub, ein in der Ferne heulender Hund oder eine in einer Gasse miauende Katze - alle Laute schienen in der Düsternis der Verdunkelung weiter getragen zu werden und länger nach-zuhallen. Und sie klangen unheimlicher.
      Unnatürlich« wäre vielleicht das passende Wort. Aber was ist natürlicher als die Dunkelheit? Vielleicht hängt das von der Umgebung ab. In einer Stadt ist die Dunkelheit unnatürlich, besonders in einer so geschäftigen, uferlosen Stadt wie London.
      Am Piccadilly Circus konnte ich die durch Sandsäcke gestützte Statue von Eros so gerade erkennen. Von irgendwoher erklang Musik, später erfuhr ich, dass es sich um »Take the >A< Train« von Glenn Miller handelte. Überall liefen Soldaten herum, viele waren betrunken, und mehr als einmal kamen Männer auf uns zu, fassten uns an, boten uns Geld für Liebesdienste.
      Irgendwann hörte ich Geräusche aus einer Gasse und konnte die Umrisse eines stöhnenden Mannes erkennen, der gegen eine Frau stieß, die wiederum mit dem Rücken gegen eine Mauer gelehnt stand. Das erinnerte mich an das eisigkalte Weihnachtsfest 1941, als ich Gloria und den kanadischen Flieger Mark in ebendieser Stellung überrascht hatte.
      Die U-Bahn-Steige, auf denen man sich bei Luftangriffen versammelte, waren überfüllt, und ich bildete mir ein, Schweiß, ungewaschene Kleidung und Urin zusammen mit dem Ruß der Züge zu riechen. Alles war schmutzig und heruntergekommen. Bald kam die Bahn, wir mussten die ganze Fahrt über stehen. Niemand erhob sich und bot uns seinen Platz an.
      Ich war froh, dass unser Zug nach Hause pünktlich abfuhr, und obwohl ich wusste, dass ich noch wochenlang von dieser Reise träumen würde, war ich doch nicht traurig, als wir nach einer siebenstündigen, langweiligen, erlebnisarmen Fahrt den Morgenzug von Leeds nach Harrogate erwischten, um von dort mit unserem kleinen Bummelzug zurück nach Hobb's End zu zuckeln.
     
    ***
     
    Es war schon nach sieben Uhr abends, als sich Banks und Annie wiedersahen. Auf dem

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