Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
ersten Klingeln an die Sprechanlage und drückte auf den Summer.
»Sie schon wieder«, sagte sie, nachdem sie ihn reingelassen hatte. »Was wollen Sie diesmal?«
Banks zeigte ihr seinen Dienstausweis. »Ich komme wegen Emily.«
Triumph blitzte in ihren Augen auf. »Ich wusste doch, dass Sie nicht ganz koscher sind. Das habe ich Ihnen schon das letzte Mal gesagt, als Sie hier waren. Ein Bulle.«
»Letztes Mal war ich inoffiziell hier, Ruth. Ich entschuldige mich dafür, mich als Emilys Vater ausgegeben zu haben - Sie haben mir ja sowieso nicht geglaubt -, aber es schien mir die beste Möglichkeit, meine Aufgabe durchzuführen.«
»Der Zweck heiligt die Mittel? Typische Polizistenmentalität.«
»Sie kannten also ihren richtigen Namen?«
»Was?«
»Sie wirkten nicht überrascht, als ich sie eben Emily genannt habe.«
»Das war der Name, der gestern in der Zeitung stand.«
»Aber Sie kannten ihn schon vorher, stimmt's?«
»Ja, ich kannte ihren richtigen Namen. Sie hat ihn mir gesagt. Na und? Ich respektierte ihr Recht, ihn nicht zu benutzen. Wenn sie sich Louisa Gamine nennen wollte, hatte ich nichts dagegen.«
»Kann ich mich setzen?«
»Von mir aus.«
Banks setzte sich. Diesmal bot Ruth ihm keinen Tee an. Sie setzte sich nicht, zündete sich aber eine Zigarette an und ging auf und ab. Sie wirkte gereizt, nervös. Banks bemerkte, dass sie ihre Haarfarbe geändert hatte; jetzt war es blond statt schwarz und immer noch sehr kurz geschnitten. Es sah überhaupt nicht besser aus, betonte nur ihr käsiges Aussehen. Sie trug ausgebeulte Jeans mit einem Loch am Knie und ein formloses blaues Oberteil, eine Art Malerkittel. So was, was man zu Hause trägt, wenn man allein ist und niemanden erwartet. Ruth schien ihr Aussehen jedoch egal zu sein. Sie entschuldigte sich nicht, um sich umzuziehen oder sich zu schminken. Banks fand das anerkennenswert. Die Musik im Hintergrund war etwas zu laut: Lauryn Hill, wie es klang, die von ihren neuesten Missgeschicken sang.
»Warum setzen Sie sich nicht und reden mit mir?«, fragte Banks.
Ruth warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich mag es nicht, wenn man mich belügt. Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal gesagt. Die Leute denken immer, sie könnten einfach auf mir rumtrampeln.«
»Ich entschuldige mich nochmals.«
Ruth funkelte ihn weiter durch schmale Augen an, dann drehte sie die Musik leiser, setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander. »Na gut. Ich sitze. Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Zumindest ist es ein Anfang. Sie wissen, was passiert ist?«
»Das hab ich schon gesagt. Ich hab's in der Zeitung gelesen und im Fernsehen gesehen.« Dann schien sie einen Moment lang etwas weicher zu werden. »Schrecklich. Die arme Emily. Ich konnte es nicht glauben.«
»Es tut mir Leid. Ich weiß, dass Sie mit ihr befreundet waren.«
»War es ... ich meine ... waren Sie da? Haben Sie sie gesehen?«
»Ich war am Tatort«, erwiderte Banks, »und ja, ich habe sie gesehen.«
»Wie hat sie ausgesehen? Ich weiß nicht viel über Strychnin, aber... war es, Sie wissen schon, wirklich so grauenvoll?«
»Ich halte es für keine gute Idee ...«
»Ging es schnell?«
»Nicht schnell genug.«
»Also hat sie gelitten?«
»Ja.«
Ruth sah weg, schniefte und griff nach dem Päckchen Taschentücher, das auf dem niedrigen Tisch neben ihr lag. »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Das sieht mir gar nicht ähnlich.«
»Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen, Ruth, dann gehe ich. In Ordnung?«
Ruth putzte sich die Nase und nickte. »Ich weiß allerdings nicht, wie ich Ihnen helfen soll.«
»Sie würden sich wundern. Haben Sie mit Emily gesprochen, seit sie London verlassen hat?«
»Nur zweimal am Telefon. Ich glaube, nachdem sie sich von diesem Barry getrennt hat, hatte sie mir gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil sie mich vernachlässigt hat. Was mir zwar nichts ausgemacht hat. Es war ihr Leben. Und es passiert mir dauernd. Dass die Leute mich vernachlässigen.«
»Wann haben Sie zum letzten Mal mit ihr gesprochen?«
»Vor einer Woche, vielleicht vor zwei... so genau weiß ich das nicht mehr.«
»Hatte sie irgendwas auf dem Herzen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Hat Sie Ihnen irgendwelche Ängste anvertraut?«
»Nur wegen des Psychopathen, mit dem sie zusammengelebt hat.«
»Barry
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