Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
nicht, dass ich dir helfen will?«, fragte Banks. »Wenn es ein Problem gibt, etwas Persönliches, was mit deiner Familie zu tun hat oder was weiß ich, dann können wir es vielleicht gemeinsam lösen. Ich bin nicht hier, um dich rund um die Uhr zu überwachen.«
»Sieht aber ganz danach aus.«
»Aber ich muss dir vertrauen können, muss das Gefühl haben, dass du dich vollkommen auf die Arbeit konzentrierst.«
»Warum lässt du mich dann nicht meine Arbeit machen?«
»Weil ich nicht glaube, dass du damit beschäftigt warst.«
»Ich habe dir vertraut, und du siehst ja, was ich herausgefunden habe.«
Banks seufzte. »Ich hab es dir erklärt.«
»Und ich hab dir erklärt, was ich gemacht habe.«
»Nicht zu meiner Zufriedenheit, und ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, dass ich bei diesem Fall der Ermittlungsleiter bin. Ich muss dafür meinen Kopf hinhalten. Wenn es also ein Problem gibt, wenn es etwas ist, wobei ich dir helfen kann, dann spuck's aus, sag mir, was es ist, und ich helfe dir. Egal, was du glaubst. Ich bin nicht darauf aus, dir wegen dem zu schaden, was zwischen uns gewesen oder nicht gewesen ist. Nicht alles ist so persönlich, wie du denkst. Gesteh mir ein bisschen mehr Professionalität zu.«
»Professionalität? Geht es darum?«
»Irgendwas stimmt nicht, Annie. Lass mich dir helfen.«
Ihr Kopf fuhr mit einem scharfen Ruck hoch, und sie stand wieder auf. »Nein.«
In dem Moment streckte Inspector Dalton den Kopf durch die Tür.
»Was ist?«, fragte Banks, verärgert über die Unterbrechung. Dalton sah zu Banks, dann zu Annie, und ein Ausdruck der Panik huschte über sein Gesicht.
»Was ist, Inspector Dalton?«
Dalton sah sie wieder beide an und schien sich zusammenzureißen. »Ich dachte, Sie würden vielleicht wissen wollen, dass der Lieferwagenfahrer heute Morgen gestorben ist. Jonathan Fearn. Hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt.«
»Mist«, sagte Banks und klopfte mit dem Stift auf den Tisch. »In Ordnung, Wayne, vielen Dank, dass Sie mir Bescheid gesagt haben.«
Dalton sah auf die Uhr. »Ich fahre jetzt zurück nach Newcastle.«
»Bleiben Sie mit uns in Verbindung.«
»Mach ich.«
Dalton und Annie sahen sich für einen Sekundenbruchteil an, bevor er ging, und Banks erkannte sofort, dass da etwas zwischen ihnen war, irgendein Funke, ein Geheimnis. Es traf ihn wie ein Hammerschlag. Dalton? Das war es also. Es passte; ihr seltsames Verhalten deckte sich genau mit seiner Ankunft in Eastvale. Annie und Dalton hatten was miteinander. Banks spürte, wie ihm eisige Schauer über den Rücken liefen.
Annie blieb noch ein paar Sekunden lang stehen, funkelte Banks mit blitzenden Augen trotzig an, drehte sich dann angewidert um, stapfte aus dem Büro und knallte die Tür so fest zu, dass der Aktenschrank klapperte.
Manchmal ist das Aufspüren von Hinweisen wie Zähneziehen, dachte Annie. Der Busfahrer war leicht zu finden gewesen, hatte gerade in der Cafeteria am Busbahnhof vor seiner ersten Fahrt an diesem Tag ein spätes Frühstück eingenommen, aber viel weiterhelfen hatte er ihr nicht können. Er konnte ihr nur sagen, dass Emily am Kreisverkehr ausgestiegen war, aber danach hatte er sich nur noch auf den dichten Verkehr konzentriert. Der Bus war fast leer gewesen, und der Fahrer wusste nicht, wer die anderen Fahrgäste gewesen waren. Er konnte jedoch mit Gewissheit sagen, dass Emily als Einzige an der Haltestelle ausgestiegen war.
Enttäuscht ging Annie zum Jolly Roger, immer noch wütend über ihren Zusammenstoß mit Banks. Nach der Konfrontation mit Dalton hatte sie sich tatsächlich besser gefühlt, selbstsicherer, bereit, sich ihrer Aufgabe ohne Ablenkung zu widmen. Sie hätte Banks vielleicht sogar erzählt, was sie abgelenkt hatte, wenn er sich nicht so selbstherrlich aufgeführt hätte.
Was bildete er sich eigentlich ein, sie so zusammenzustauchen. Er wusste, dass sie so was hasste. Annie war nie in der Lage gewesen, mit Autorität gut umzugehen, was im Polizeidienst eipe gewisse Belastung war, aber die meiste Zeit konnte sie, wenn nötig, ein Lippenbekenntnis ablegen. Allerdings nicht bei Banks. Diesmal hatte er sie dort getroffen, wo es wirklich schmerzte: bei ihrer Professionalität. Und die Tatsache, dass er teilweise Recht hatte, schmerzte noch mehr. Aber sie würde es ihm zeigen. Sie dachte nicht daran, sich in Selbstmitleid zu suhlen; sie würde wieder auf das
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