Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
blaue Augen. Er sah die Art Kerl, um den man einen weiten Bogen macht, außer man ist auf Ärger aus.
Um ihn herum ging das Leben weiter. Das Paar neben ihm stritt mit leisen, angespannten Stimmen. Ein Betrunkener laberte über Manchester United. Lärmende Jugendliche warfen Geld in die Automaten, und die Automaten piepten und klingelten vor Dankbarkeit. Die Luft hing voller Zigarettenrauch und roch nach Hopfen und Gerste. Barkeeper schossen herum und führten gebrüllte Bestellungen aus, traten ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, während aus den Portionierern die armselige Menge an Rum oder Wodka rann. Einer, der Tropfen aus einer Flasche Limejuice in ein Pint Lager schüttelte, murmelte: »Himmel Herrgott, beeil dich. Da kann ich ja sogar schneller pissen.«
Banks nahm einen großen Schluck Bier und zündete sich eine weitere Zigarette an, staunte zum wiederholten Mal innerhalb der letzten Stunde darüber, wie ruhig er war. So ruhig hatte er sich seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt. Bestimmt nicht in den letzten paar Monaten mit Sandra. Nachdem sie vorhin die Bombe hatte platzen lassen, war sie in Tränen aufgelöst aus dem Restaurant gestürzt und hatte Banks mit dem Wein und der Rechnung sitzen lassen. Das ganze Lokal schien still zu werden, als der Druck auf seinen Ohren zunahm und er das Gefühl hatte, am ganzen Körper von Nadeln gepikt zu werden. Scheidung. Sean heiraten. Hatte sie das wirklich gesagt?
Sie hatte, wurde ihm klar, als er bezahlte und über die regennassen Straßen von Camden Town in den ersten Pub stolperte, den er sah. Und jetzt saß er hier an der Bar, bei seinem zweiten Pint, fragte sich, wo die Wut war, der Schmerz, der Zorn, den er empfinden sollte. Er war betäubt, geplättet, erschlagen, wie es jeder sein würde, der so etwas zu hören bekam. Aber er hatte nicht das Gefühl, ihm sei der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Warum?
Die Antwort, als sie ihm einfiel, war so einfach, dass er sich hätte treten können. Sandra hatte schlicht und ergreifend Recht. Sie würden nicht wieder zusammenkommen. Er hatte sich lange genug etwas vorgemacht, und die Realität hatte ihn endlich eingeholt. Ganz mechanisch hatte er einfach das getan, was er meinte, tun zu müssen. Im Grunde wollten sie beide nicht mehr zusammenkommen. Es war vorbei. Und auf diese Weise ließ sich am besten ein Schlussstrich ziehen. Scheidung. Heirat mit Sean.
Klar wusste Banks, dass man zwanzig Jahre Ehe nicht vollkommen abschreiben kann und es immer einen Rest von Zuneigung, sogar Liebe und vielleicht Schmerz geben würde. Aber - und das war das Wichtige - es war endlich vorbei. Keine Unklarheit mehr, keine vergeblichen Hoffnungen, keine kindischen Illusionen, dass äußere Veränderungen - ein neuer Wohnort, ein neuer Job - alles wieder in Ordnung bringen würden. Jetzt konnten sie sich beide von dem toten Ding verabschieden, das ihre Ehe war, und mit ihrem Leben weitermachen.
Ja, es würde Traurigkeit geben. Manches würden sie bedauern. Durch Brian und Tracy würden sie jedoch immer miteinander verbunden bleiben. Aber Banks erkannte, als er sein Spiegelbild hinter der Bar betrachtete, dass er, wenn er wirklich ehrlich mit sich war - und dies war der richtige Moment dafür -, eigentlich feiern sollte, statt seine Trauer zu ertränken. Morgen würde er Sandra anrufen und ihr sagen, sie solle die Scheidung einreichen, solle Sean heiraten, ihm sei das recht. Aber heute wollte er seine Freiheit feiern. Was er wirklich empfand, war Erleichterung. Die Schuppen waren ihm von den Augen gefallen. Weil es keine Hoffnung gab, gab es Hoffnung.
Und daher hob er feierlich den Rest seines Pints und zog ein oder zwei neugierige Blicke auf sich, als er seinem Spiegelbild zuprostete.
Die nasse Straße warf die Neon- und Scheinwerferlichter zurück wie ein Bild aus Fingerfarben, während Banks ein wenig unsicher zum nächsten Pub wankte. Er hörte das Knallen fernen Feuerwerks und sah Raketen in den Himmel schießen. Noch wollte er nicht in sein einsames Hotelzimmer zurück, war nicht müde genug, trotz des langen Tages.
Der nächste Pub, den er fand, war nicht ganz so voll, und er setzte sich an einen leeren Tisch in einer Ecke, neben einer Gruppe von Rentnern, die schon ordentlich gebechert hatte. Banks wusste, dass er etwas betrunken war, aber er wusste ebenfalls, dass er noch klar denken konnte. Und so wanderten seine Gedanken zu allem, was vor dem Essen mit Sandra passiert war,
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