Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
und er merkte, wie beunruhigt er war. Besonders über das Treffen mit Emily Riddle in Barry Cloughs Villa. Je mehr er darüber nachdachte, desto ungereimter kam ihm alles vor.
Emily war offensichtlich high gewesen. Ob von Koks oder Heroin, konnte Banks nicht mit Sicherheit sagen, aber das weiße Pulver auf ihrer Oberlippe deutete eindeutig auf das eine oder andere. Koks, nahm er an, angesichts ihrer Ruhelosigkeit und der Stimmungsschwankungen. Vermutlich hatte sie auch Marihuana geraucht. Craig Newton hatte ebenfalls gesagt, dass sie high war, als er sie auf der Straße getroffen hatte und von Cloughs Gorillas zusammengeschlagen worden war. War Emily also ein Junkie oder nahm sie nur gelegentlich Drogen? Manchmal ging das eine direkt in das andere über.
Dann war da Barry Clough selbst: die teure Villa, das Gold, die Möbel, der Armanianzug, die Waffen. Banks hatte nur erfahren, dass Clough »Geschäftsmann« war, und der Begriff deckte alle möglichen Sünden ab. Was hatte er wirklich mit der Musikindustrie zu tun? Auf welcher Art Party hatte er Emily kennen gelernt? Dass der Mann ein Ganove war, bezweifelte Banks nicht, aber in welche kriminellen Aktivitäten er verwickelt war, ließ sich nicht so einfach sagen. Wie kam er an sein Geld? Drogen, vielleicht. Pornografie? Möglich. Auf jeden Fall konnte für Emily nichts Gutes dabei herauskommen, egal, wie toll sie das auch jetzt fand, und erst recht nicht für Jimmy Riddles Karriereaussichten.
Banks hatte sich nicht wohl dabei gefühlt, einfach so aus Cloughs Haus zu verschwinden. Ebenso wenig hatte es ihm gefallen, sich nicht mit dem Gorilla am Tor anzulegen. Unter normalen Umständen wäre er voller Autorität da reinmarschiert und hätte die Zähne gezeigt, aber er handelte als Privatmann und musste hinnehmen, was sie ihm auftischten. Außerdem war er gezwungen, diskret vorzugehen, und wer wusste, welch unangenehme Enthüllungen ans Licht kämen, wenn er Clough verärgerte? Ein Teil von Banks, vermutlich auf Grund des erhöhten Alkoholkonsums, wollte zurückgehen und sich Clough vornehmen, ihn so aus der Fassung bringen, dass er sich verriet. Aber Banks war vernünftig genug, dem nicht nachzugeben. Zumindest nicht heute Abend.
Stattdessen hielt er sich an den Gott des gesunden Menschenverstandes, trank sein Pint aus, ging auf die Straße und winkte sich ein Taxi heran. Jetzt brauchte er erst mal Schlaf, und der nächste Tag mochte bringen, was er wollte.
Der nächste Tag kam viel zu schnell. Banks' Digitaluhr auf dem Nachttisch zeigte 3.18 Uhr, als das Telefon klingelte.
Stöhnend rieb er sich den Schlaf aus den Augen, tastete im Dunkeln herum und fand endlich den Hörer.
»Banks«, grunzte er.
»Tut mir Leid, Sie um diese Uhrzeit zu stören, Sir«, sagte der Mann vom Empfang, »aber hier in der Halle ist eine junge Dame. Sie scheint sehr verstört zu sein. Sie sagt, sie sei Ihre Tochter, und besteht darauf, zu Ihnen hinaufzukommen.«
In Banks verschlafenem, vom Alkohol umnebelten Hirn hatte nur der Gedanke Platz, dass Tracy unten stand und in Schwierigkeiten war. Vielleicht hatte sie mit Sandra gesprochen und war wegen der Scheidung völlig durcheinander. »Schicken Sie sie rauf«, sagte er, stand auf, knipste die Tischlampe an und schlüpfte in seine Sachen. Sein Kopf tat ihm weh, und sein Mund war trocken. Er nahm an, Tracy würde ein paar Minuten brauchen, bis sie sein Zimmer im zweiten Stock erreichte, daher ging er rasch ins Bad, schluckte ein paar Kopfschmerztabletten aus seiner Reiseapotheke und trank zwei Glas Wasser. Dann füllte er den kleinen Kessel, schaltete ihn ein und hängte einen Teebeutel in den Topf. Als es leise an der Tür klopfte, war Banks klar geworden, dass irgendwas nicht stimmen konnte. Tracy wusste natürlich, wo er war; er hatte ihr den Namen des Hotels genannt, bevor sie mit Dämon nach Paris fuhr. Aber es war immer noch Samstagnacht oder Sonntagmorgen, also waren die beiden doch wohl noch in Paris.
Als er die Tür öffnete, stand Emily Riddle vor ihm. »Darf ich reinkommen?«, fragte sie.
Banks trat zur Seite und verschloss die Tür hinter ihr. Emily trug ein lockeres schwarzes Abendkleid, tief ausgeschnitten über ihren kleinen Brüsten und an der Seite bis zum Oberschenkel geschlitzt. Gänsehaut bedeckte ihre nackten Arme. Ihr blondes, hochgestecktes Haar hing wirr durcheinander, die Reste einer schicken Frisur, aufgelöst von Wind und Regen. Sie sah wie eine ungezogene
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