Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
mitgenommen. Sie kennt Leute aus der Musikszene und so.«
»Craig war auch da?«
»Ja. Daher wusste er, dass Barry einen Club in Clerkenwell hat. Nach dem Abend hab ich mich öfter mit Barry getroffen, und eine Woche später oder so habe ich Craig verlassen. Er fing an, mir auf den Geist zu gehen.«
»Verstehe. Und haben Sie gelacht, als er zusammengeschlagen wurde?«
»Ich habe nicht gelacht. Ich habe geweint. Der Trottel.«
»Warum sollte er mich belügen?«
»Die Wahrheit würde ihn nicht gerade gut dastehen lassen, oder? Craig mag oberflächlich nett und ausgeglichen wirken, aber er hat auch eine gemeine Ader, wissen Sie.«
»Hat er Sie je geschlagen?«
»Nein. Er wusste, dass ich mir das nicht gefallen lassen würde. Es war nur ... na ja, wenn ich spät nach Hause kam oder so, blieb er immer wach und wartete auf mich, schrie mich an, nannte mich Nutte und Schlampe und so Zeug. Das war gemein. Hässlich. Und am nächsten Morgen wurde er dann so sentimental, sagte, er würde mich lieben, und kaufte mir Geschenke, und dabei wollte er mir doch bloß an die Wäsche.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum er mich belügen sollte. Er glaubte, ich sei Ihr Vater. Er muss doch angenommen haben, dass ich die Wahrheit herausbekomme, wenn ich Sie finde.«
Emily lachte. »Dummkopf. Das ist das Letzte, was ich meinem Vater erzählen würde. Denken Sie mal darüber nach.«
Banks tat, wie ihm befohlen. Sie hatte Recht. »Aber Sie erzählen es mir.«
»Das ist was anderes. Sie sind nicht mein Vater. Sie sind überhaupt nicht wie er. Sie sind ...«
»Was bin ich?«
»Naja, mehr wie ein Freund. Ein netter dazu.«
»Ich fühle mich geschmeichelt, Emily, aber das erzählen Sie Ihrem Vater besser nicht.«
Sie kicherte und legte die Hand vor den Mund, als sei es ihr peinlich, sich bei etwas Kindlichem ertappt zu haben. »Damit haben Sie Recht.«
»Haben Sie von Craig gehört, seit Sie wieder in Yorkshire sind?«
»Nein. Seit der Nacht vor dem Club hab ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Was ist mit Ruth?«
»Mit der hab ich zweimal telefoniert. Aber ich hab ihr nicht viel Grund gegeben, mich zu mögen, oder? Ich glaube, sie war in Craig verknallt, und ich hab ihn ihr weggenommen.«
»Das war ebenso sehr seine Entscheidung. Außerdem wird sie darüber hinwegkommen.«
»Mag sein ... na ja ... Ruth hat auch ohne mich schon genug Probleme.«
»Was soll das heißen?«
»Nichts. Sie ist nur ziemlich daneben. Haben Sie das nicht gemerkt?«
»Sie kam mir ein bisschen merkwürdig vor.« Allerdings nicht viel merkwürdiger als Emily selbst, dachte Banks. Er schob den leeren Teller beiseite und zündete sich eine Zigarette an. Sich vor Emily als positives, nicht rauchendes Rollenvorbild aufzubauen, hatte wenig Zweck. »Erzählen Sie mir, was in jener Nacht in London passiert ist?«, fragte er. »Bevor Sie zu mir ins Hotel kamen.«
Emily leckte den Rand ihres Glases ab. »Ich hab darüber nachgedacht.«
»Und?«
Sie schaute sich um, beugte sich dann verschwörerisch vor. »Ich hab beschlossen, es Ihnen zu erzählen.«
Banks roch den Advocaat in ihrem Atem. Er lehnte sich zurück. »Ich bin ganz Ohr.«
Annie war nicht vollkommen ehrlich mit Banks gewesen, gestand sie sich am Nachmittag des nächsten Tages ein, während sie zum Daleview-Firmenpark hinausfuhr, um sich mit Ian Bennett, Charlie Courages Chef bei SecuTec, zu treffen. Wie gewöhnlich, wenn sie es zu schwierig fand, über etwas zu reden, hatte sie sich völlig unbekümmert gegeben. Das war aber alles nur Fassade und nichts dahinter. In Eastvale zu arbeiten, zusammen mit Banks, machte ihr mehr aus, als sie zugeben wollte. Sie war durchaus in der Lage, ihren Job von ihrem Privatleben zu trennen, hatte das Gefühl, einwandfrei zu arbeiten, egal mit wem, aber diese Nähe zu Banks könnte ihren Entschluss ins Wanken bringen, die Beziehung zu beenden: Schließlich hatte sie ihn nicht aufgegeben, weil sie ihn nicht mochte, sondern weil sie nach zu kurzer Zeit zu viel für ihn empfand und weil er so viele Komplikationen aus seiner vorherigen Beziehung mitbrachte, einer über zwanzigjährigen Ehe. Jetzt, wo sie wieder mit ihm zusammenarbeitete, musste sie sich eingestehen, dass sie immer noch eine Schwäche für ihn hatte.
Zum Teufel damit, sagte sie sich und warf einen raschen Blick auf die Karte, die neben ihr lag. Fast da. Sie würde
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