Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
sehen konnte. »Meine Tochter ist nicht viel älter als sie«, sagte er.
Annie runzelte die Stirn und kam näher. Banks beobachtete sie, sah, wie ihre Blicke herumschossen und alle Einzelheiten aufnahmen: die ungewöhnliche Lage der Leiche, den zerbrochenen Spiegel, das weiße Pulver, die verstreuten Kosmetika, die Quetschungen. Ein paar Knöpfe von Emilys schwarzer Seidenbluse waren aufgesprungen und gaben die schwarze Spinnentätowierung auf der hellen Haut unter dem Nabelring frei. Annie berührte nichts, nahm aber alles in sich auf. Und als sie fertig war, sah auch sie bleich aus.
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte sie, als sie beide wieder vor der Toilette standen. »Armes Mädchen. Was, denkst du, ist da passiert?«
»Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte jemand sie zu Tode geprügelt, aber das ergibt keinen Sinn.«
»Nein«, stimmte Annie zu. »Da drin ist ja kaum genug Platz für einen, ganz zu schweigen von einem Zweiten, der auch noch Boxhiebe austeilt.«
»Und die Kabine war von innen verschlossen«, fügte Banks hinzu. »Könnte sein, dass sie anderswo zusammengeschlagen wurde, dann hier reingekrochen ist und sich eingesperrt hat, bevor sie starb, vielleicht in dem vergeblichen Versuch, sich vor ihrem Angreifer zu schützen ...« Er zuckte die Schultern. Eine ziemlich dünne These. Selbst wenn sie sich eingeschlossen hatte, um den Schlägen zu entkommen, wieso lag sie dann seitlich über die Toilette gekrümmt da? So eine Leichenstellung hatte Banks noch nie gesehen, und obwohl er eine Ahnung hatte, wie es dazu gekommen sein könnte, brauchte er das Expertenwissen eines Arztes. »Wir müssen auf den Doktor warten. Äh, wenn man vom Teufel spricht.«
Dr. Burns kam über die Tanzfläche und begrüßte sie. »Wo ist sie?«, fragte er.
Banks zeigte auf die Damentoilette. »Versuchen Sie, so wenig wie möglich zu verändern. Die Fotografen waren noch nicht da.«
»Ich tue mein Bestes.« Burns duckte sich unter dem Absperrband hindurch.
»Ruf die Spurensicherung und den Fotografen an«, sagte Banks zu Annie. Er deutete auf Rickerd und senkte die Stimme. »Constable Rickerd hat mich angerufen, und ich wollte sicher sein, dass es tatsächlich um ein Verbrechen geht, bevor ich Himmel und Hölle in Bewegung setze.«
»Was ist mit den Leuten im Club?«
»Die bleiben alle hier. Einschließlich der Angestellten. Chris Jessups Jungs haben Anweisung, dafür zu sorgen, dass alle an ihren Plätzen bleiben. Wie viele zwischen dem Anruf des Freundes und Jessups Eintreffen abgehauen sind, lässt sich nicht sagen.«
»Für einen Club wie diesen ist es immer noch früh«, meinte Annie. »Um diese Zeit kommen die Leute eher, als dass sie gehen.«
»Außer, sie haben jemanden umgebracht. Bitte die Streifenpolizisten, sich von jedem Namen und Adresse zu notieren.«
Annie wollte gehen.
Banks hielt sie zurück. »Da ist noch was, Annie.«
»Ja?«
»Mach dich auf den schlimmsten Wirbel gefasst, der dir in deinem Leben als Polizistin je begegnet ist.«
»Warum?«
»Weil das Opfer Emily Riddle ist, die Tochter des Chief Constables.«
»Großer Gott«, entfuhr es Annie.
»Du sagst es.«
Annie ging, um ihren Pflichten nachzukommen, während Banks sich Darren Hirst vorknöpfte, den Jungen, der die Leiche gefunden hatte. Er schien immer noch im Schockzustand zu sein, zitterte, hatte Tränen in den Augen. Banks konnte das gut verstehen, nachdem er Emilys Leiche gesehen hatte. Während seiner Berufsjahre war er mit vielen Todesarten konfrontiert worden, und obwohl er sich nie ganz daran gewöhnen würde, war er dem Jungen gegenüber natürlich im Vorteil. Banks bat einen Streifenpolizisten, den Eingang zur Toilette zu bewachen, und führte Darren zu einem leeren Tisch. Der Barkeeper drückte sich in der Nähe herum, wollte offensichtlich wissen, was vorging, wagte aber nicht zu fragen. Banks winkte ihn zu sich.
»Wann haben Sie heute Abend aufgemacht?«, fragte er.
»Um zehn. Am Anfang ist nie viel los. Die meisten kommen für gewöhnlich erst nach elf.«
»Gibt es hier Überwachungskameras?«
»Sind bestellt.«
»Na toll. Ist die Bar noch geöffnet?«
»Der andere Polizist hat gesagt, ich soll nichts mehr ausschenken«, meinte der Mann.
»Da hat er Recht«, entgegnete Banks, »aber dieser Junge hat einen ziemlichen Schock gehabt, und für mich war es auch keine freudige
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