Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
bevorstehenden Tag. Irgendwann ging die Sonne auf und warf ihr Honiglicht durch das hohe Fenster, oder der Regen peitschte gegen die Fensterscheiben.
Es waren stille, einsame Stunden. Auch wenn Banks sich an die Einsamkeit gewöhnt, ja, sie lieb gewonnen hatte, fehlte ihm doch manchmal sein altes Leben mit Sandra und den Kindern im Haus in Eastvale. Aber Sandra war fort, würde bald Sean heiraten, und die Kinder waren groß und hatten ihr eigenes Leben. Tracy studierte im dritten Semester an der Universität von Leeds, und Brian tourte mit seiner Rockband durchs Land und wurde immer besser, seitdem die erste, unabhängig produzierte CD hervorragende Kritiken erhalten hatte. Banks musste zugeben, dass er die beiden in den letzten zwei Monaten vernachlässigt hatte, besonders seine Tochter.
An der Theke bestellten Blackstone und Banks die letzten beiden Portionen Lammeintopf mit Reis und zwei Pints Tetley's Bitter. Es war warm genug, um draußen an einem der Tische neben dem Cricketfeld zu sitzen. Die örtliche Mannschaft hatte Training, und die tröstlichen Geräusche des Schlagholzes, das gegen das Leder prallte, begleiteten ihre Unterhaltung.
Banks zündete sich eine Zigarette an und erzählte Blackstone, Hartnell wolle die Ermittlung in Sachen Janet Taylor an North Yorkshire geben, und er, Banks, sei sich sicher, dass sie auf Annies Schreibtisch landen würde.
»Das wird ihr gefallen«, bemerkte Blackstone trocken.
»Sie hat ihre Gefühle schon sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.«
»Hast du es ihr erzählt?«
»Ich hab versucht, es positiv hinzustellen, damit sie sich besser fühlt, aber ... der Schuss ging irgendwie nach hinten los.«
Blackstone grinste. »Seid ihr beiden immer noch zusammen?«
»Ich glaub schon, irgendwie, aber oft weiß ich es nicht genau, um ehrlich zu sein. Sie ist ziemlich ... schwer festzunageln.«
»Ach, die Frauen mit ihren süßen Geheimnissen.«
»Das wird's wohl sein.«
»Kann es sein, dass du zu viel von ihr erwartest?«
»Wie meinst du das?«
»Weiß nicht. Wenn ein Mann seine Frau verliert, dann will er gerne die erstbeste, die sich für ihn interessiert, als neue Frau.«
»Heiraten ist wirklich das letzte, was ich im Kopf habe, Ken.«
»Wenn du das sagst.«
»Ganz bestimmt. Für so was hab ich überhaupt keine Zeit.«
»Wo wir gerade vom Heiraten sprechen: Was, glaubst du, hat seine Frau, Lucy Payne, mit der Sache zu tun?«, fragte Blackstone.
»Keine Ahnung.«
»Sie muss was gewusst haben. Schließlich hat sie mit dem Kerl unter einem Dach gelebt.«
»Vielleicht. Aber du hast doch gesehen, wie das Haus gebaut ist. Payne hätte zig Frauen durch die Garage reinschmuggeln und in den Keller bringen können. Wenn er unten alles dicht gemacht und verriegelt hat, muss keiner was gemerkt haben. Es war ziemlich schalldicht isoliert.«
»Tut mir Leid, aber du kannst mir nicht weismachen, dass eine Frau mit einem Mörder wie Payne zusammenlebt und nichts mitbekommt«, entgegnete Blackstone. »Wie soll das praktisch aussehen? Steht er nach dem Essen auf und sagt, er geht jetzt mal eben in den Keller und vergnügt sich mit dem Mädchen, das er entführt hat?«
»Er muss ihr doch nichts sagen.«
»Aber sie muss etwas damit zu tun gehabt haben. Selbst wenn sie nicht seine Komplizin war, muss sie mindestens etwas geahnt haben.«
Der Cricketball wurde mit voller Wucht getroffen, vom Spielfeld erklang Beifall.
Banks drückte seine Zigarette aus. »Wahrscheinlich hast du Recht. So oder so: Wenn Lucy Payne irgendwas mit dem Keller zu tun hat, bekommen wir das raus. Im Moment kann sie nicht weg. Aber solange wir nichts finden, vergessen wir besser nicht, dass sie in erster Linie Opfer ist.«
Banks wusste, dass der Erkennungsdienst womöglich wochenlang am Tatort beschäftigt sein und The Hill 35 sehr bald wie ein Haus bei einer Komplettsanierung aussehen würde. Man würde Metalldetektoren, Laserlampen, Infrarotlicht, UV-Ausrüstung, Hochleistungssauger und Pressluftbohrer heranschaffen, würde Fingerabdrücke, abgeschürfte Haut, Fasern, getrocknete Sekrete, Haare, abgeblätterte Farbe, Visa-Rechnungen, Briefe, Bücher und persönliche Unterlagen sicherstellen, die Teppiche herausreißen und Löcher in die Wände schlagen, den Boden im Keller und in der Garage aufbrechen und den Garten umgraben. Alles würde zusammengetragen werden, möglicherweise mehr als tausend
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