Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
darüber gesprochen. Reg dich nicht so auf.«
»Reg dich nicht auf! Großer Gott, wir reden hier über deinen Sohn! Sie hat ihn so gut wie umgebracht!«
»Beruhigen Sie sich, Mr. Armitage«, sagte Banks. Martin Armitage war nicht ganz so groß, wie Banks erwartet hatte, aber er war durchtrainiert und strotzte vor Energie. Er gehörte nicht zu den Männern, die in aller Ruhe abwarteten, sondern er preschte los und suchte selbst die Entscheidung. So hatte er auch Fußball gespielt. Armitage hatte sich nie damit begnügt, im Sechzehner darauf zu warten, dass er den Ball aus dem Mittelfeld bekam; er hatte sich selbst Torchancen erarbeitet. Vorgeworfen hatte man ihm immer, dass er zu ballverliebt sei, dass er lieber selbst draufhielt und daneben schoss, als an jemanden in einer besseren Schussposition abzugeben. Besonders diszipliniert war Armitage auch nie gewesen, er hatte reichlich rote und gelbe Karten kassiert. Einmal hatte er nach einem gegnerischen Spieler geschlagen, weil der ihm im Strafraum mit fairen Mitteln vom Ball getrennt hatte. Dafür hatte die andere Mannschaft einen Elfmeter bekommen, und Armitages Team hatte verloren.
»Dieser Fall ist schon kompliziert genug«, sagte Banks, »Sie müssen ihn nicht noch schlimmer machen. Ihr Verlust tut mir sehr Leid, aber es hilft uns überhaupt nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig beschuldigen. Wir wissen noch nicht, wie und warum Luke gestorben ist. Wir wissen noch nicht mal, wo und wann es passiert ist. Wir müssen also erst ein paar grundlegende Fragen klären, um zu irgendwelchen Schlüssen zu kommen. Ich schlage vor, dass Sie sich ebenfalls in Zurückhaltung üben.«
»Was sollen Sie auch sonst sagen?«, entgegnete Martin. »Ihr steckt doch alle unter einer Decke.«
»Können wir jetzt zur Sache kommen?«
»Ja, natürlich«, sagte Robin. In Jeans und blassgrüner Bluse saß sie auf dem Sofa, die langen Beine übereinander-geschlagen, die Hände im Schoß gefaltet. Sie war wunderschön, fand Banks, auch wenn sie nicht geschminkt war und das berühmte goldblonde Haar zum Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. Die Fältchen um die Augen machten sie noch schöner. Sie hatte ein klassisches Model-Gesicht: hohe Wangenknochen, kleine Nase, spitzes Kinn, perfekte Proportionen. Dennoch war es einzigartig, sie hatte Charakter.
Banks hatte einmal bei der Met in London an einem Fall gearbeitet, in dem es um eine Model-Agentur ging. Damals hatte er gestaunt, dass so viele Frauen, die in Zeitschriften und im Fernsehen wunderschön aussahen, in Wirklichkeit langweilig waren. Ihre Gesichter waren perfekt, aber ausdruckslos, unfertig wie eine weiße Leinwand. Robin Armitage hingegen hatte Präsenz.
»Ihnen ist bestimmt klar«, sagte Banks, »dass Lukes Tod alles verändert. Wir müssen jetzt anders vorgehen, vieles noch einmal überprüfen. Sie mögen das vielleicht sinnlos finden, aber glauben Sie mir, es ist notwendig. Ich bin neu an dem Fall, habe mir aber heute Morgen Zeit genommen, um mich in die bisherige Ermittlungsarbeit einzulesen, und ich muss sagen, dass ich bisher nichts gesehen habe, was nicht in Ordnung war oder was ich nicht selbst genauso gemacht hätte, wenn ich zuständig gewesen wäre.«
»Ich hab's schon gesagt«, unterbrach ihn Martin Armitage. »Ihr steckt alle unter einer Decke. Ich werd mich beim Chief Constable beschweren. Ist ein Freund von mir.«
»Das können Sie gerne tun, aber er wird Ihnen genau dasselbe sagen wie ich. Wenn alle auf die Forderungen von Entführern eingehen würden, ohne die Polizei zu informieren, dann wäre es das beliebteste Verbrechen im Land.«
»Aber Sie sehen doch, was passiert, wenn die Polizei informiert wird. Unser Sohn ist tot.«
»Da ist etwas schief gelaufen. Dieser Fall war von Anfang an ungewöhnlich; es gibt mehrere Ungereimtheiten.«
»Was wollen Sie damit sagen? Dass es keine normale Entführung war?«
»An diesem Fall ist überhaupt nichts normal, Mr. Armitage.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Robin. »Der Anruf ... die Lösegeldforderung ... das war doch echt, oder nicht?«
»Ja«, sagte Annie auf Banks' Zeichen hin. »Aber die Forderung kam ungewöhnlich spät, der Entführer hat Sie nicht mit Ihrem Sohn sprechen lassen, und die Geldsumme, die er verlangt hat, war lächerlich niedrig.«
»Ich weiß nicht, was das heißen soll«, sagte Martin. »Wir können das Geld auch nicht drucken.«
»Ich weiß«, sagte Annie. »Aber
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