Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Aussage.
»Tasse Tee? Ich mach mir auch welchen. Ohne Tee werde ich morgens nicht wach.«
»Gern. Wenn Sie sowieso den Kessel anstellen.« Mandy hatte einen feinen Akzent, fiel Annie auf. Was hatte sie von Mark gewollt? Es sich mal auf die harte Tour besorgen zu lassen?
Die Küchenzeile war durch einen dünnen grünen Vorhang vom Rest des Apartments abgetrennt. Mandy ließ ihn offen, als sie den elektrischen Wasserkessel füllte. Annie nahm in einem der beiden kleinen Sessel Platz, die vor einem alten Kamin standen. Darin stand eine Vase mit getrockneten rotgelben Blumen und Pfauenfedern. An der Wand hing ein Poster von van Goghs Sonnenblumen, im Hintergrund lief leise das Radio. Annie erkannte das Lied: ein alter Song von den Pet Shop Boys, »Always on My Mind«. Ein Hit aus der Zeit, als sie in Exeter studierte. Sie hatte die Pet Shop Boys immer gemocht.
Plötzlich musste sie an Rick Stenson denken, ihren damaligen Freund. Er sah gut aus, hatte blondes Haar und studierte Medienwissenschaften. Ständig hatte er sich über Annies Musikgeschmack lustig gemacht, denn er stand auf Joy Division, Elvis Costello, die Dire Straits und Tracy Chapman. Musik von den Pet Shop Boys, Enya und Fleetwood Mac war weit unter seinem Niveau gewesen. Er zog sogar über die Anfangsformation von Fleetwood Mac her, als Peter Green noch dabei gewesen war. Was sie bloß an Rick gefunden hatte, fragte Annie sich nun. Er war ein arrogantes Großmaul gewesen, nicht mal im Bett hatte er was draufgehabt, besaß zwar ein gewisses Talent für die Grundversion, aber darüber hinaus keinerlei Fantasie. Ach ja, die Irrtümer der Jugend!
Mandy brachte den Tee, setzte sich in den anderen Sessel und schlug die Beine unter. Der Saum ihres T-Shirts bedeckte so gerade den Ansatz ihrer schlanken, glatten Oberschenkel. Braune Locken, noch ungekämmt, umrahmten ihr herzförmiges Gesicht mit den schmalen Lippen, einer kleinen Nase und hellbraunen Augen. Mandy hatte wunderschöne Brooke-Shields-Augenbrauen, dachte Annie mit einem Anflug von Neid, denn ihre eigenen waren ziemlich dünn.
»Was haben Sie gestern Abend gemacht?«, fragte Annie.
»Was ich gemacht habe? Wie meinen Sie das? Was soll die Frage?«
»Wären Sie bitte so nett, mich die Fragen stellen zu lassen?« Annie konnte nicht genau sagen, warum Mandy ihr auf den Geist ging, aber es war nicht zu leugnen: Die Stimme, die Beine, die Augenbrauen dieses Mädchens ließen Annie missmutig werden. Sie zog ein Papiertaschentuch hervor und putzte sich die Nase. Es war warm im Zimmer, sie begann unter den Achseln zu schwitzen. Oder sie bekam Fieber.
Mandy schmollte und trank einen Schluck Tee, dann sagte sie: »Na gut, fragen Sie.«
»War Mark hier bei Ihnen?«
»Mark? Ganz bestimmt nicht! Lächerlich. Was soll er denn hier wollen? Falls er behauptet hat -«
»Aber Sie kennen ihn, oder?«
Mandy spielte mit einer Haarlocke, zog sie lang und wickelte sie sich um den Finger. »Wenn Sie Mark Siddons meinen - ja. Natürlich kenne ich ihn. Er guckt manchmal im Pub vorbei, wenn er auf der Baustelle arbeitet.«
»Was für eine Baustelle?«
»Hinterm Park. Da wird ein neues Sportzentrum fürs College gebaut.«
»Sind Sie mit Mark befreundet?«
»Ein bisschen.«
Annie beugte sich vor. »Mandy, es könnte wirklich wichtig sein. War Mark gestern Abend hier bei Ihnen?«
»Für was für eine halten Sie mich! ?«
»Meine Güte noch mal«, schimpfte Annie, denn in ihrem Kopf drehte sich alles vor Wut und Fieber. »Es ist doch eigentlich nicht schwer: Ich stelle Ihnen Fragen, und Sie antworten ehrlich darauf. Ich bin nicht hier, um mir eine Meinung über Sie zu bilden. Es ist mir völlig egal, was für eine Sie sind. Und es ist mir auch völlig egal, wenn Sie Bock auf was Härteres hatten und Mark -«
Mandy wurde rot. »So war das nicht!«
»Dann erzählen Sie mir, wie es war.«
»Worum geht's hier überhaupt? Was hat Mark getan?«
Annie wollte Mandy keinen Anlass zur Verdrehung der Tatsachen geben. Sie wusste, dass jegliche Information die Gleichung verschob. »Zuerst beantworten Sie mal meine Fragen«, sagte Annie. »Und dann erkläre ich Ihnen, warum ich sie gestellt habe.«
»Das ist ungerecht.«
»Ein anderes Angebot werde ich Ihnen nicht machen. So oder gar nicht.«
Wütend funkelte Mandy Annie an, dann spielte sie wieder mit ihren Locken. Es dauerte eine Weile, bevor sie antwortete.
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