Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
ob Patrick Asperns Gesicht eine Reaktion zeigte. Lediglich Verwirrung. »Sie nahm Heroin. Auch andere Betäubungsmittel, wenn sie welche bekommen konnte, aber meistens Heroin.«
»Ach, du meine Güte«, sagte Mrs. Aspern. »Was haben wir nur getan?«
Banks wandte sich an sie. »Was meinen Sie damit?«
»Frances«, sagte ihr Mann. »Uns trifft keine Schuld. Wir haben ihr alles geboten. Bei uns bekam sie alles.«
Das hatte Banks schon so oft gehört, dass es ins eine Ohr hinein- und aus dem anderen herausging. Die meisten Menschen hatten keinen blassen Schimmer, was ihre Kinder wirklich brauchten - woher auch, Teenager haben ja kein besonders großes Mitteilungsbedürfnis -, und dennoch glaubten so viele Eltern, die Segnungen von Reichtum und gesellschaftlichem Ansehen seien an sich ausreichend. Selbst Banks' eigene Eltern, einfache Arbeiter, waren enttäuscht, weil er zur Polizei gegangen war, anstatt sein Glück als Geschäftsmann zu versuchen. Doch Wohlstand und Ansehen reichten nach Banks' Erfahrung eigentlich nie, auch wenn ihm bekannt war, dass die meisten Kinder aus gut situierten Familien weniger Probleme hatten. Andere jedoch, wie Tina, Emily Riddle oder Luke Armitage, Fälle aus der jüngeren Vergangenheit, blieben auf der Strecke.
»Offensichtlich«, fuhr Banks fort, um die aufkommende Spannung zwischen Mann und Frau zu lösen, »stahl Christine Morphium aus Ihrer Praxis.«
Aspern wurde rot. »Das ist gelogen! Das hat Ihnen dieser Siddons erzählt, stimmt's? Sämtliche Betäubungsmittel in meiner Praxis sind absolut sicher unter Verschluss. Genau wie gesetzlich vorgeschrieben. Wenn Sie mir nicht glauben, dann kommen Sie mit und überzeugen Sie sich selbst. Ich zeige es Ihnen. Kommen Sie.«
»Nicht nötig«, entgegnete Banks. »Es geht nicht um Christines Drogenversorgung. Wir wissen, dass ihr letzter Schuss von einem Dealer in Eastvale stammte.«
»Ach, es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass man diese Leute nicht einbuchten kann, bevor sie Schaden anrichten«, empörte sich Aspern.
»Das würde heißen, dass wir die Verbrecher bereits kennen müssten, bevor sie ihre Taten begehen«, bemerkte Banks und musste an den Film Minority Report denken, den er vor einigen Wochen mit Michelle gesehen hatte.
»Wenn Sie mich fragen, liegt es doch in den meisten Fällen auf der Hand«, sagte Aspern. »Selbst wenn dieser Siddons das Feuer nicht selbst gelegt hat, können Sie davon ausgehen, dass er etwas auf dem Kerbholz hat. Dieser Kerl ist durchtrieben.«
Mehr als einmal hatte Banks - wie viele seiner Kollegen -nach dem Grundsatz gehandelt, es sei unerheblich, wenn eine in Gewahrsam genommene Person das ihr vorgeworfene Verbrechen nicht begangen hatte, solange die Polizei mit absoluter Sicherheit wusste, dass der Betreffende anderer Delikte schuldig war, für die man ihn aber mangels Beweisen nicht belangen konnte. In der Logik der Polizei wog das Verbrechen, für das jemand verurteilt wurde, auch wenn er es nicht begangen hatte, all die anderen Taten auf, für die er ungestraft davongekommen war. Früher, als den Beschuldigten mehr Rechte verliehen wurden als der Polizei selbst, bevor die Staatsanwaltschaft nur noch Fälle behandelte, bei denen die Verurteilung zu hundert Prozent gesichert war, war das natürlich einfacher gewesen. Aber es kam immer noch vor, wenn man es unbemerkt handhaben konnte. »Wir müssten das gesamte Justizwesen auf den Kopf stellen«, erklärte Banks, »wenn wir Menschen ohne Urteilsspruch hinter Schloss und Riegel bringen wollten, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Aber zurück zur Sache. Kennen Sie irgendjemanden, der Christine etwas hätte antun wollen, Mrs. Aspern?«
»Ähm, wir kannten ihre ... ihre Freunde nicht, die sie jetzt hatte«, antwortete sie. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ihr was antun wollte, nein.«
»Dr. Aspern?«
»Ich auch nicht.«
»Auf dem Nachbarboot wohnte ein Maler. Wir wissen nur, dass er Tom hieß. Wissen Sie irgendetwas über ihn?«
»Noch nie gehört«, sagte Patrick Aspern.
»Und ein gewisser Andrew Hurst? Er wohnt in der Nähe.«
»Ich hab da nie jemanden gesehen.«
»Wann waren Sie zum letzten Mal am Boot?«, wollte Banks wissen.
»Letzte Woche. Ich glaube, am Donnerstag.«
»Warum?«
»Was soll die Frage?«, gab Aspern zurück. »Christine ist meine Stieftochter. Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich wollte
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