Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Taten sie. Dann stellte er den Elektroofen an und goss sich ein zweites Glas ein.
Banks kam die Idee, sich einen Film anzuschauen. Denn vor kurzem hatte er sich einen DVD-Player gekauft, und sein Interesse an Filmen war wieder erwacht. Er hatte begonnen, DVDs zu sammeln wie CDs. Dann entschied er jedoch, dass es schon zu spät war; er würde mittendrin auf dem Sofa einschlafen. Stattdessen legte er eine CD von Cassandra Wilson ein, Belly of the Sun, und blätterte die Kritiken in Gramophone durch. Mensch, was hatte diese Frau für eine sündhaft erotische Stimme. Dieser samtweiche Alt. Sie genoss jede einzelne Silbe, holte alles aus ihr heraus, zog sie in die Länge, dass man dachte, nun würde sie zerbrechen, ließ sie fallen oder verschluckte sie, bis sie nicht mehr zu erkennen war.
Der Whisky schmeckte herrlich; scharf, torfig und ein wenig nach Medizin. Am liebsten wäre Banks nach draußen gegangen, hätte sich vor den Wasserfall gestellt und den Hang hinunter auf die Lichter von Helmthorpe geschaut, so wie er es bei gutem Wetter immer tat, aber heute war es zu kalt. Sicher, für Januar war es relativ mild, aber nach Einbruch der Dunkelheit wurde die Luft so eisig, dass nicht einmal ein edler Single Malt Whisky ihm das Herz erwärmen konnte. Auch war Wind aufgekommen, und Banks hatte das Gefühl, sein kleines Cottage sei ein einsames Zelt, an dessen Wänden der Wind zerrte.
Er schob die Zeitschrift zur Seite und legte die Füße hoch. Es brannte nur noch eine kleine Tischlampe. Im Hintergrund sang Cassandra Wilson »Shelter from the Storm« von Bob Dylan. In Gedanken ließ er den Tag Revue passieren, so wie er es oft zu dieser Stunde machte. Er dachte gar nicht nach, sondern assoziierte frei, improvisierte über ein bestimmtes Thema wie ein Jazzer oder wie Elgar seine Enigma-Variationen geschrieben hatte.
Aenigma, das griechische Wort für Rätsel, war ein guter Ausgangspunkt. Rätselhaft schien alles an den Ereignissen des Tages zu sein. Schwer fassbar, unfertig, unergründlich. Es sah danach aus, als sei Thomas McMahon das beabsichtigte Opfer gewesen, doch außer den Brandwunden waren keine äußerlichen Verletzungen erkennbar gewesen, und ein Motiv war auch nicht in Sicht. Mark Siddons hatte sich mit seiner drogenabhängigen Freundin Tina gestritten und war wütend abgehauen, aber er hatte ein wasserdichtes Alibi, und auch die anderen Untersuchungen entlasteten ihn.
Tina oder Mark hatten Drogen von Danny Corcoran bekommen, und sobald Drogen im Spiel waren, musste man alle Beteiligten besonders gründlich unter die Lupe nehmen. Dann war da noch Tinas Stiefvater, Dr. Patrick Aspern. Er war Banks nicht besonders sympathisch gewesen, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Auch unschuldige Menschen waren ihm manchmal unsympathisch. Aber wenn das stimmte, was Mark über Aspern und seine Stieftochter erzählt hatte, dann hatte der Arzt ein sehr gutes Motiv. Außerdem waren Aspern und seine Frau, gelinde gesagt, ziemlich ausweichend gewesen, als Banks nach Alibis gefragt hatte. Sicher, vielleicht hatte Mark Tina nur zu gern geglaubt und keine Fragen gestellt. Es konnte sich durchaus lohnen, Marks Hintergrund zu durchleuchten, dachte Banks und nahm sich vor, Hatchley am Morgen darauf anzusetzen.
Ein anderes Problem war Andrew Hurst. Er trieb sich am Kanalufer herum und hatte gelogen, als er nach seinem Tagesablauf gefragt worden war. Er hatte seine Kleidung gewaschen und kein Alibi. Aber was für ein Motiv sollte Hurst haben? Vielleicht brauchte er gar keins. Er war als Erster am Brandort gewesen und hatte dann die Feuerwehr verständigt. Möglicherweise war er ein Brandstifter, der einfach gern Feuer legte, ein Pyromane. So wenig Banks über die Psyche von Pyromanen wusste, war ihm doch bekannt, dass sie nicht nur mit Vorliebe den Brand meldeten, am Tatort blieben und sich an ihrer Tat ergötzten, sondern dass sie auch gern beim Löschen oder bei der Ermittlungsarbeit halfen. Banks würde darauf achten müssen, wie hilfsbereit sich Andrew Hurst zeigen würde.
Als die CD zu Ende war, überlegte Banks, ob er noch einen Laphroaig trinken sollte, ließ es aber. Er ging zu Bett.
* 5
Danny Corcoran wohnte am Rande des Studentenviertels in einer kleinen Bude in einer Nebenstraße der South Market Street. Er hatte mal am College von Eastvale Betriebswirtschaft studiert, dann aber gemerkt, dass Dealen viel einträglicher war, und das Studium noch vor dem Diplom geschmissen.
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