Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Parieren. Das heißt, er beherrschte die subtile Psychologie einer guten Vernehmung.
Bisher wusste Banks lediglich, dass Leslie Whitaker das Geschäft von seinem Vater Ernest übernommen hatte, der vor zwei Jahren gestorben war. Auf Whitakers Schreibtisch stand ein Foto, auf dem Banks die beiden zu erkennen glaubte. Der Inhaber entsprach Banks' Vorstellung von einem Antiquar ganz und gar nicht, aber vielleicht war es ja ein Vorurteil, einen Mann mit wirrem Haar und altmodischem engen Pullover zu erwarten. Whitaker war Anfang vierzig, trug einen hellgrauen Anzug, ein weißes Hemd und eine braune Krawatte. An den Schläfen lichtete sich bereits sein kurzes dunkles Haar, aber es stand ihm gut. Er sah gesund und durchtrainiert aus. Banks vermutete, dass Whitaker mit seinem kräftigen Kinn und den strahlend blauen Augen auf Frauen (und vielleicht sogar auf Männer) attraktiv wirkte. Er war nicht vorbestraft, und Sergeant Hatchley hatte keinerlei Tratsch über ihn zu Tage fördern können. Dann war da auch nichts - Hatchley war schließlich ein Meister auf diesem Gebiet.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Whitaker. »Setzen Sie sich doch!«
Er selbst nahm an einem glänzendem antiken Schreibtisch im hinteren Teil des Ladens Platz und zeigte auf einen Holzstuhl. Banks folgte der Aufforderung. »Eigentlich brauche ich ein paar Informationen«, sagte er.
»Ein Verbrechen in der Welt der Bücher?«
»Eher in der Welt der Kunst. So sieht es jedenfalls aus.«
»Hm, das leuchtet auch eher ein. Die Kunstwelt ist voller Verbrechen.«
»Ich nehme an, Sie haben von dem Brand auf den Kanalbooten gehört.«
»Ja. Tragisch. Eine schreckliche Geschichte.«
»Wir haben Grund zur Annahme, dass eines der Opfer ein Maler namens Thomas McMahon war. Ich glaube, Sie kannten ihn?«
»Tom McMahon? Du liebe Güte. Davon wusste ich nichts!«
»Sie kennen ihn also?«
»Tom? Ja, schon, flüchtig. Ich meine, ich wusste nicht, wo er wohnte und was er so trieb, aber ich kenne ihn, ja.«
»In welchem Zusammenhang?«
»Ich verkaufe seine Bilder. Besser gesagt, ich vermittle zwischen Tom und den verschiedenen Kunstgewerbemärkten, Läden und Ateliers in den Yorkshire Dales, wo seine Landschaftsbilder verkauft werden. Und als man vor ein paar Jahren meinte, er würde groß rauskommen, da habe ich ein paar von seinen Gemälden angekauft und sogar wieder verkauft.«
»Und dann?«
»Er schaffte es nicht. Das kommt öfter vor, als Sie glauben. Die Kunstszene ist brutal, es ist äußerst schwer, sich zu behaupten. Er hatte eine große Ausstellung im Gemeindezentrum, und ich dachte, es wäre seine Chance, aber ... irgendwie funktionierte es nicht.«
»Hatte er Talent?«
»Talent?« Whitaker runzelte die Stirn. »Ja, natürlich. Aber was hat das schon zu sagen?«
Banks lachte. »Stimmt, ich habe genug schwarze Bilder mit Gekritzel drauf gesehen, die für Tausende über den Ladentisch gingen. Ich weiß, was Sie meinen, aber die Frage war durchaus ernst gemeint.«
Whitaker schürzte die Lippen. »Tom hatte eine hervorragende Technik. Aber er war nicht originell. Letztendlich muss man sagen, dass er keine eigenen Ideen hatte.«
Genau das hatte auch Maria Phillips behauptet. »Stattdessen kopierte er wen?«
»Eigentlich alles. Romantische Landschaften, die Prä-Raffaeliten, Impressionisten, Surrealisten, den Kubismus. Das war Toms eigentliches Problem: Er hatte keinen erkennbaren eigenen Stil, es gab nichts, von dem man mit Sicherheit hätte sagen können: Das ist ein Thomas McMahon.«
»Also waren die Bilder, die Sie angekauft haben ...?«
»Wertlos.«
»Ändert sein Tod das nicht?«
Whitaker lachte. »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Viele Maler wurden erst nach ihrem Tod berühmt. Van Gogh zum Beispiel. Aber der war originell. Ich glaube nicht, dass Thomas McMahons Bilder durch seinen Tod unvergesslich oder wertvoll werden. Nein, Mr. Banks, ich habe leider kein Motiv, Tom McMahon um die Ecke zu bringen, und ich habe auch damals kein Vermögen für die Bilder ausgegeben.«
Auch das deckte sich in etwa mit dem, was Maria erzählt hatte. »Ich wollte Ihnen kein Motiv unterstellen«, verteidigte sich Banks. »Ich versuche nur herauszufinden, wer von seinem Tod profitieren könnte.«
»Da fällt mir niemand ein. Aber er hat's bestimmt nicht leicht gehabt«, überlegte Whitaker.
»Warum nicht?«
»Mit dem eigenen
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