Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
vertragen.«
»Nein, danke«, erwiderte Ganz. »Für mich nicht.«
»Wie Sie wollen.« Banks öffnete eine Flasche von Roys Cote de Nuits und goss sich großzügig ein. Seine Hand zitterte noch immer. »Also hat Burgess Sie geschickt?«
Ganz nickte. »Er hat mir gesagt, wo ich Sie finden kann. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber er hatte Probleme, mich aufzutreiben. Ich war außer Landes. Sieht so aus, als hätten wir gemeinsame Interessen.«
»Vielleicht verraten Sie mir zuerst mal, was Ihre sind.«
»Im Moment interessiere ich mich für Schleuser, genauer gesagt, für Menschen, die junge Frauen zum Zwecke sexueller Ausbeutung verschieben.«
Ganz sah aus wie ein Undercoveragent, fand Banks. Er war jung, höchstens Anfang dreißig. Sein blondes Haar war ungewaschen und ein bisschen zu lang, er hatte sich bestimmt seit vier, fünf Tagen nicht rasiert. Sein Leinensakko war zerknittert und schmutzig, auch die Jeans mussten dringend gewaschen werden.
»Und welche Interessen haben wir gemein?«, fragte Banks.
Ganz holte ein Blatt Papier aus der Innentasche seines Sakkos und faltete es auf dem Tisch auseinander. Es war eine Kopie des Fotos, das Banks Burgess gegeben hatte. »Sie wollten wissen, wer der Mann neben Gareth Lambert ist.«
»Lambert hat mir gesagt, er heißt Max Broda.«
»Das stimmt«, bestätigte Ganz. »Max Broda. Er ist Albaner mit israelischem Pass.«
»Warum?«
Ganz grinste, man sah, dass ihm ein Schneidezahn fehlte. »Muss man sich nicht mit nervigen Visa herumschlagen.«
»Was macht er beruflich?« Gareth Lambert hatte Banks erzählt, Max arbeite in der Reisebranche, organisiere Touren und Ausflüge, aber Banks vermutete, dass Ganz nicht hier wäre, wenn das stimmte.
»Broda ist Händler«, erklärte Ganz. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
»Ja, aber womit handelt er?«
»Haben Sie schon mal vom Arizona-Markt gehört?«
»Nein.«
»Ich weiß, es klingt nach Amerika, aber er befindet sich in Bosnien, zwischen Sarajevo und Zagreb. Das ist so ein alter Markt, wie man ihn aus dem Kino kennt, wie in der Kasba, ganz romantisch mit Ständen voll bunter Waren und engen, verwinkelten Gassen. Tagsüber kann man raubkopierte CDs und DVDs kaufen, oder gestohlene Rolex-Uhren und Chanel-Parfüm. Aber nachts ändert der Markt sein Gesicht. Dann werden gestohlene Autos, Waffen, Drogen verkauft. Und junge Frauen. Sie werden angeboten wie Vieh auf Landwirtschaftsausstellungen. Manchmal werden sie sogar versteigert, dann müssen sie nackt mit Nummern in der Hand daherlaufen, und die Käufer fassen sie an, bevor sie ein Gebot abgeben. Sie gucken ihnen in den Mund, als würden sie ein Pferd ersteigern. Wenn sie verkauft sind, landen viele in Clubs oder Bordellen in Bosnien, wo sie die internationalen Friedenstruppen bedienen, andere werden außer Landes gebracht und müssen in Peepshows oder Massagesalons arbeiten.«
»Und da kommt Lambert ins Spiel?«, fragte Banks. »Die Balkanroute.«
»Das ist eine Möglichkeit«, stimmte Ganz zu. »Serbien, Kroatien, Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und der Kosovo. Aber es gibt noch andere Routen, sie ändern sich ständig. Die Leute gehen da über die Grenze, wo sie unbewacht ist. Viele Frauen aus Russland, der Ukraine und Rumänien werden über die Ostroute durch Polen und Deutschland oder durch Ungarn geschleust. Von Serbien nach Italien bevorzugen die Männer albanische Häfen, von denen aus sie die Frauen in Schnellbooten rüberfahren. Das überleben nicht alle. Aber egal, auf welchem Weg sie in die EU kommen - sind sie erst einmal hier, gibt es keine großen Probleme mehr mit dem Transport.«
»Da arbeiten Lambert und Broda zusammen?«
»Ja.« Ganz' Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Broda kauft die Frauen, Lambert schafft sie ins Land. Das macht er natürlich nicht selbst. Das wäre zu gefährlich. Aber er kennt die Schwachstellen und weiß, wen man bestechen muss. Wir glauben, dass die beiden schon länger zusammenarbeiten. Lambert wohnte vorher in Spanien, aber da wurde es ihm wohl zu heiß, deshalb ist er jetzt hier. Das Reisebüro ist eine tolle Tarnung für seine Aktivitäten.«
»Das heißt, Gareth Lambert und Max Broda schleusen schon seit einigen Jahren junge Frauen nach England, damit sie hier als Prostituierte arbeiten?«
»Ja. Aber nicht nur nach England. Deshalb ist es so schwierig, sie festzunageln. Wir
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