Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
versuchen gerade, Akten über ähnliche Operationen in Paris, Berlin und Rom zusammenzustellen. Das Problem ist weit verbreitet.« Er hielt inne. »Ich habe diese Frauen gesehen, Mr. Banks. Mit ihnen gesprochen. Frauen ist vielleicht nicht ganz der treffende Ausdruck. Es sind fast noch Mädchen, manche erst vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Man lockt sie mit Versprechungen her, sie könnten als Kindermädchen oder Mannequins, Dienstmädchen oder Kellnerinnen arbeiten. Manchmal werden sie aus dem Land geschleust und sofort verkauft, andere kommen erst in Häuser in Belgrad, wo ihr Wille gebrochen wird. Da müssen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Sie werden gedemütigt, geschlagen und ausgehungert. Die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse werden ihnen verweigert. Sie werden immer wieder vergewaltigt, unter Drogen gesetzt, gefügig gemacht. Wenn ihr Widerstand gebrochen ist, werden sie auf dem Markt höchstbietend verkauft. Danach müssen sie, auch wenn sie nach Rom, Tel Aviv, Paris oder London geschleust werden, unter schrecklichen Bedingungen leben und zehn, zwanzig, manchmal dreißig Männer pro Nacht bedienen. Wenn sie nicht mitspielen wollen und nicht so tun, als machte ihnen das alles Spaß, werden sie geschlagen und bedroht. Man sagt ihnen, bei einem Fluchtversuch würde man sie verfolgen und töten, auch ihre Familien zu Hause.«
»Davon habe ich schon gehört«, sagte Banks, erschüttert durch Ganz' Bericht. »Aber nicht ... in diesem Ausmaß.« Er schüttelte den Kopf.
»Das wissen die meisten nicht«, erwiderte Ganz. »Viele möchten es gar nicht wissen. Sie glauben, dass Mädchen, die als Prostituierte arbeiten, es auch verdient haben, dass sie es freiwillig tun, aber das stimmt oft nicht. Man kann eine junge Frau für nur tausend Pfund kaufen und innerhalb eines Jahres über hunderttausend Pfund mit ihr verdienen. Wenn sie hinüber ist, kauft man die nächste. Ist doch sehr lukrativ, finden Sie nicht?«
»Ich kann nicht glauben, dass mein Bruder etwas damit zu tun hatte.«
»Hatte er auch nicht, soweit wir wissen«, entgegnete Ganz. »Aus dem, was Superintendent Burgess mir gesagt hat, schließe ich, dass Ihr Bruder und seine Freundin der Sache auf die Spur gekommen waren.«
»Über das Berger-Lennox-Center?«
»Ja, und durch Dr. Lukas.«
»Was hat sie damit zu tun?«
»Sie versucht, den schwangeren Mädchen zu helfen. Mehr nicht. Sie stellt keine Fragen. Die Mädchen können von Glück sagen, eine wie sie zu haben, sonst...«
»Aber wie kam sie dazu?«
»Das wissen wir nicht genau. Unsere Ermittlungen hier sind noch ganz am Anfang. Bisher haben wir hauptsächlich in Bosnien, Rumänien und Serbien geforscht.«
»War diese Carmen eines der Mädchen, denen Dr. Lukas half? Carmen Petri?«
Ganz runzelte die Stirn. »Der Name sagt mir nichts.«
»Bestimmt nicht?«
»Nein. Petri, sagen Sie?«
»Ja, oder so ähnlich.«
»Klingt rumänisch.«
»Aber Sie haben noch nie von ihr gehört?«
»Nein.«
»Okay«, sagte Banks. »Erzählen Sie weiter!«
»Ganz egal, was Dr. Lukas weiß oder nicht weiß«, fuhr Ganz fort, »da ist irgendwo ein Zuhälter, den Lambert und Broda mit Mädchen versorgen, die aus Osteuropa eingeschmuggelt werden. Wahrscheinlich hat er nicht nur ein Haus, kommt drauf an, wie viele Frauen er laufen hat. Vielleicht ist es auch nicht nur ein Zuhälter. Ich weiß es nicht. Wir warten darauf, dass Broda oder Lambert uns zu ihm führen.«
»Tun sie aber nicht?«
»Bis jetzt noch nicht. Wir wollen natürlich nicht, dass sie uns auf die Schliche kommen. Lambert pendelt zwischen seiner Wohnung und dem Reisebüro. Das Wochenende über spielt er meistens den kleinen Edelmann auf seinem Landsitz.«
»Wo ist der?«, wollte Banks wissen.
»In einem Dorf namens Quainton, in der Nähe von Buckingham. Da führt er ein vorbildliches Leben. Nun ja, sobald man mit Zuhältern und Schleusern zu tun hat, ist das organisierte Verbrechen nicht weit, und das ist immer gefährlich.«
»Die russische Mafia?«
»Höchstwahrscheinlich.«
Banks erzählte Ganz, was er von Annie über die beiden Männer erfahren hatte, die mutmaßlich Jennifer auf dem Gewissen hatten, vielleicht auch Roy.
Ganz nickte langsam. »Klingt nach deren Stil.«
»Und jetzt?«
»Wir sind der Ansicht, dass die jüngsten Morde das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Vielleicht macht jemand
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