Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
in East-vale eintraf, war sie nicht mehr so deprimiert wie kurz nach den Razzien. Ehe sie zum Bahnhof aufgebrochen war, hatte sie versucht, Brooke zu trösten. Er fand, er habe zu wenig Rückgrat gezeigt, als er dem »Befehl von oben« gehorchte. Aber Annie wusste, dass er auf lange Sicht lernen musste, damit zu leben und darüber hinwegzukommen. Aus welchen Gründen auch immer hatten die herrschenden Mächte, vielleicht über Burgess, die offizielle Ermittlung behindert und Banks ermutigt, auf eigene Faust herumzuschnüffeln. Zweifellos hatte man gehofft, dadurch weitere Beteiligte aus der Reserve locken zu können. Und es war den Verantwortlichen völlig egal gewesen, ob Banks dabei getötet wurde.
Als Annie auf der Dienststelle eintraf, hatten sich Gristhorpe, Stefan, Winsome und Rickerd bereits im Büro versammelt. Es herrschte Feierstimmung. Das war verständlich. Schließlich war der Mörder von Jennifer Clewes tot, ebenso wie sein Boss, und die Komplizen waren in Gewahrsam. Der Fall war gelöst.
»Habe gehört, Sie waren an der Front«, sagte Gristhorpe, als Annie eintrat.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schaltete automatisch den Computer ein. »War eher Erstversorgung auf dem Schlachtfeld«, sagte sie. »DI Brooke und die Jungs von SO19 haben alles unter Kontrolle. Meine Arbeit da unten ist erledigt.«
»Glückwunsch«, sagte Gristhorpe.
»Gibt's was Neues, Stefan?«, fragte Annie.
»Ich habe dem Superintendent gerade erzählt, dass die Fingerabdrücke an DCI Banks' Haustür schnell identifiziert werden konnten: Artjom Tscharkow. Er ist nicht vorbestraft, aber die Spuren decken sich mit denen der Leiche in London, die heute Morgen bei der zweiten Razzia erschossen wurde. Sie passen auch zu dem Teilabdruck auf der Tür von Jennifer Clewes' Auto. London sagt, sie hätten eine Pistole bei Tscharkow gefunden, eine Zweiundzwanziger. Die wird noch untersucht.«
»Das war sein Ende: Er hat das Feuer auf einen bewaffneten Polizisten eröffnet«, erklärte Annie.
»Na, da hätte ich aber was mit etwas mehr Mannstoppwirkung genommen als eine Zweiundzwanziger.«
»Der getroffene Kollege kann von Glück sagen, dass es nicht so war. Naja, die Diskussion ist ja rein akademisch, da er eh tot ist, oder?«, fragte Annie.
Stefan schien enttäuscht.
»Ach, Stefan, tut mir leid. Ich wollte deine Arbeit nicht kleinreden. Es gibt ja noch diesen Boris, den Fahrer.«
»Die Technik aus Essex hat seinen Abdruck aus dem kaputten Mondeo«, berichtete Stefan und unterdrückte ein Lächeln. »Innen aus dem Handschuhfach.«
»Super! Dann geht es ja vorwärts.«
»Wie geht's Alan?«, erkundigte sich Gristhorpe.
»Ganz gut, soweit ich weiß«, antwortete Annie. »Ich glaube, er will heute zurück nach Peterborough, um seinen Eltern noch ein bisschen zu helfen und die Beerdigung vorzubereiten. Jetzt kann er ihnen wenigstens sagen, dass der Gerechtigkeit in gewisserWeise Genüge getan wurde.«
Hinter Annie öffnete sich die Tür. Gristhorpe stand auf, ein breites Grinsen im Gesicht. »Na, wenn das nicht Susan Gay ist!«, sagte er und ging auf eine leicht untersetzte Frau mit blonden Locken zu, die in der Tür stand. Kev Templeton neben ihr strahlte übers ganze Gesicht. »Komm rein, Mädchen! Wir feiern gerade.«
»Wir haben ihn«, verkündete Susan. »Cropley. Er sitzt unten in der Arrestzelle wegen Mordes an Claire Potter. Alles nach Vorschrift. Wir haben eine DNA-Probe genommen, die ist unterwegs nach Derby. Drei DCs klappern die Autobahnraststätten mit seinem Foto ab. Aber die DNA reicht schon.«
Templeton freute sich, sah Annie. »Glückwunsch, Kev«, sagte sie. »Gut gemacht!«
Templeton grinste. »Danke.«
»Also«, verkündete Gristhorpe. »Da wir sogar doppelten Grund zum Feiern haben: Wer holt das Bier?«
Auf der Rückfahrt von Quainton reimte sich Banks das meiste zusammen, doch ihm fehlten noch ein paar Antworten. Er fand Gareth Lambert im Reisebüro an der Edgeware Road. Seinen Renault parkte Banks vor der Tür. Lambert schien überrascht und mehr als ein wenig verstimmt, vor seinen Angestellten abgeführt zu werden. Mit offenem Mund sahen sie ihm nach. Er ging mit, ohne sich zu wehren.
Banks öffnete die Beifahrertür und schob Lambert hinein. »Kopf einziehen!«
»Wo wollen wir hin?«
»Ich will Ihnen etwas zeigen.« Banks kämpfte sich durch den Verkehr entlang des Hyde Parks zur Chelsea Bridge,
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