Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
Holztisch mit zwei passenden Stühlen, darum gruppiert das übliche Aufgebot an Küchengeräten, Toaster, Schränken, Kühlschrank, Herd und Mikrowelle. Der Tisch war leer, nur eine Flasche Amarone stand darauf, wieder verkorkt. Halb verdeckt dahinter lag ein Handy. Banks nahm es in die Hand. Es war ausgeschaltet, er machte es an. Es handelte sich um ein teures Modell, ein Gerät, mit dem man digitale Bilder senden und empfangen konnte. Der Akku war noch so gut wie voll. Banks hörte die Mailbox ab und las die Mitteilungen, fand aber nur die, die er selbst hinterlassen hatte. Konnte es sein, dass Roy sein Handy vergaß, wenn er das Haus verließ? Wo er doch seinem Bruder extra seine Nummer genannt hatte? Banks bezweifelte es ebenso wie die Theorie, dass Roy die Haustür absichtlich unverschlossen gelassen und vergessen hatte, die Alarmanlage einzuschalten. Da hätte er schon mächtig durch den Wind gewesen sein müssen.
Auf der Theke stand ein Weinregal, und selbst Banks sah, dass es sich um sehr edle Tropfen handelte: Bordeaux, Chianti und Burgunder. Darüber hing ein Schlüsselbund an einem Haken. Einer der Schlüssel sah aus, als gehöre er zum Auto. Banks steckte ihn ein. Er schaute in den Kühlschrank. Darin waren lediglich Margarine, eine Packung Milch und ein Stück verschimmelter Cheddar-Käse. Eines stand fest: Roy war kein Gourmetkoch. Er konnte es sich leisten, auswärts zu essen; es gab zahlreiche gute Restaurants auf der Old Brompton Road. Die Hintertür war verschlossen, das Fenster ging auf einen kleinen Hinterhof und eine schmale Gasse.
Bevor Banks nach oben stieg, lief er noch einmal kurz in die Garage, um zu überprüfen, ob der Schlüssel tatsächlich für den Porsche passte. Tat er - wie erwartet. Banks öffnete die Tür und nahm auf dem Fahrersitz Platz.
Nie zuvor hatte er in einem solchen Wagen gesessen. Das weiche Lederpolster umschloss ihn wie eine Geliebte. Am liebsten hätte er den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt und wäre losgefahren, irgendwohin. Aber er war aus einem anderen Grund hier. Das Auto roch sauber und frisch, nach teurem Leder. Soweit Banks sehen konnte, lagen keine leeren Chipstüten oder Getränkedosen auf dem Rücksitz, keine Zellophanfolie auf dem Boden. Leider besaß der Porsche kein eingebautes Navigationssystem, das Banks verraten hätte, wohin Roys letzte Fahrt geführt hatte. In der Seitentasche war ein aufgeklappter kleiner Straßenatlas, rechts unten stand »Reading«, links oben »Stratford-upon-Avon«. Sonst war nichts zu finden, nur die Gebrauchsanweisung für den Porsche und ein paar CDs, hauptsächlich Klassik. Banks stieg wieder aus und schaute in den Kofferraum. Leer.
Als Nächstes wagte er sich in den ersten Stock. Dort war deutlich mehr Platz als unten, weil sich die Etage über die Garage erstreckte. Am Treppenabsatz war ein kleiner Flur, von dem fünf Türen abgingen. Die erste führte zur Toilette, die zweite zu einem modernen Badezimmer mit Power Shower und Whirlpool. Banks sah die üblichen Utensilien für Rasur und Zahnpflege, des Weiteren Aspirin, Magentabletten und eine viel größere Auswahl an Shampoos, Spülungen und Körpercremes, als Roy Banks' Meinung nach jemals gebrauchen würde. Auch für den rosafarbenen Einwegrasierer neben dem Rasiergel für empfindliche Haut konnte er keine Verwendung haben, es sei denn, Roy rasierte sich die Beine.
Nach hinten hinaus befand sich das Schlafzimmer, schlicht und hell, an der Wand eine Blumentapete: Doppelbett, Federbett, Kommode, Schubladen und ein Schrank voller Kleidung und Schuhe. Alles tadellos sauber. Der Inhalt deckte den gesamten hochwertigen Bereich von teurer Freizeitbekleidung bis zu kostspieligen Business-Anzügen ab, wie Banks mit einem Blick auf die Etiketten erkannte: Armani, Hugo Boss, Paul Smith. Daneben hingen ein paar Sachen von Frauen, unter anderem ein Sommerkleid, ein schwarzes Abendkleid, eine Levi's und mehrere Tops. Unten standen Schuhe und Sandalen.
In den Schubladen fanden sich einige Schmuckstücke, Kondome, Tampons sowie Herren- und Damenunterwäsche. Banks wusste nicht, ob Roy etwas für Travestie übrighatte, ging aber davon aus, dass die Damenwäsche seiner derzeitigen Freundin gehörte. Da nirgends so viele weibliche Utensilien herumstanden, dass man hätte annehmen können, hier wohnte tatsächlich eine Frau, hatte diese Freundin wahrscheinlich nur ein paar Kleidungsstücke und die Gegenstände im Badezimmer für den Fall deponiert, dass
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