Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
ich gedacht habe, es wäre der Name von einer Schauspielerin, aber die heißt Cameron, nicht? Cameron Diaz. Nein, die Frau hieß Carmen, wie die Oper. Mit Nachnamen Petri oder so ähnlich. Sorry.«
»Schon gut.« Annie notierte sich den Namen und machte ein Fragezeichen hinter »spätes Mädchen«. »Hat Jennifer erklärt, weshalb sie sich Sorgen machte?«
»Nein, tut mir leid. Nur dass diese Carmen etwas gesagt hätte.«
»War Carmen im Center, weil sie abtreiben lassen wollte?«
»Nehme ich an«, entgegnete Melanie, »obwohl Jenn das nicht gesagt hat. Ich meine, deswegen geht man ja dahin. Oder um beraten zu werden, falls man unentschlossen ist und nicht weiß, was man tun soll.«
»Hatte Jennifer eine bestimmte Haltung zum Thema Abtreibung?«
»Was meinen Sie damit?«
»Glauben Sie, dass sie die Patientinnen davon abhielt und sie stattdessen ermutigte, das Kind zu behalten und es zur Adoption freizugeben?«
»Ach so. Nein, eigentlich nicht. Jenn hielt es für die persönliche Angelegenheit jeder Frau. Nur weil halt einige Frauen Angst haben ... wissen Sie ... besonders die jungen. Manche wissen einfach nicht, was sie tun sollen. Aber Jenn war keine Beraterin oder Betreuerin. Dafür sind andere zuständig.«
»Aber sie hatte Kontakt zu den Frauen?«
»Manchmal schon.«
»Sie haben aber keine Vorstellung, warum sich Jennifer um diese Carmen Sorgen machte?«
»Jenn hatte einfach die Angewohnheit, sich in die Angelegenheiten anderer Menschen einzumischen, mehr nicht. Das kann in ihrem Beruf durchaus ein Nachteil sein. Meistens hat sie ja keinen Kontakt zu den Patientinnen, aber manchmal ... wie gesagt. Sie ist einfach zu gutmütig und schafft es nicht immer, ihre Gefühle herauszuhalten. Menschen objektiv zu sehen. Andererseits ist das mit ein Grund, weshalb sie so etwas Besonderes ist. Ach. Etwas Besonderes war. Mein Gott.«
»Wurde Jenn mal wegen ihrer Arbeit bedroht?«
»Sie meinen, weil sie mit Abtreibung zu tun hatte?«
»Ja. Es gibt Aktivisten, die Abtreibungskliniken bekämpfen, manche sogar gewaltsam.«
»Hat sie mir gegenüber nie erwähnt. Ich meine, da war, glaube ich, mal eine kleine Demonstration, aber das war nichts Schlimmes. Auf keinen Fall gewalttätig. Solche Gruppen beachten das Center normalerweise gar nicht, weil dort keine Abtreibungen durchgeführt werden. Viele Patientinnen bekommen ja ihre Kinder und geben sie zur Adoption frei, deswegen halte ich das nicht für sehr wahrscheinlich.«
Annie wurde klar, dass Jenns Kollegen im Center wohl besser über dieses Thema Bescheid wissen würden. »Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn Sie mir etwas mehr über Jennifer erzählen könnten. Sie kannten sich schon lange?«
»Seit der Grundschule. Wir wohnten nur zwei Straßen entfernt. Und wir haben am selben Tag Geburtstag. Ihre armen Eltern ...« Melanie nahm eine Schachtel Zigaretten von der Armlehne und zündete sich eine an. »Sorry, stört Sie doch nicht, oder?«, fragte sie und blies den Rauch aus.
»Sie sind hier zu Hause«, erwiderte Annie. Und es sind deine Lungen, fügte sie stumm hinzu. »Was kam dann? Die Uni?«
»Wir haben beide unseren Abschluss in Birmingham gemacht. Ich in International Business, Jenn in Unternehmensführung.«
»Und das Grundstudium?«
»Jenn hat Wirtschaft in Kent studiert, ich war in Essex. Moderne Sprachen.«
»Hatten Sie durchgängig Kontakt?«
»Na klar. In den Ferien sind wir praktisch unzertrennlich.«
»Ich habe gehört, Sie waren im letzten Sommer zusammen in Sizilien?«
»Ja.« Melanie runzelte die Stirn. »Hören Sie, darf ich mal fragen, auf was Sie hinauswollen? Wollen Sie vielleicht andeuten, dass unsere Freundschaft irgendwie nicht ... normal ... war, denn wenn das so ist...«
Annie winkte ab. »Nein, nichts dergleichen. Geht mich sowieso nichts an.« Es sei denn, dachte sie, es hätte etwas mit Jennifers Tod zu tun. »Nein, ich frage nur, weil ihre Mitbewohnerin Kate nicht besonders viel über Jennifers Leben zu wissen schien, Jennifer offenbar nicht näher kannte.«
»Das wundert mich nicht«, erwiderte Melanie. »Jenn ist in vielerlei Hinsicht ein sehr zurückhaltender Mensch. Sie hat mit Kate zusammengewohnt, weil es billiger war -London ist so teuer -, aber deshalb musste sie ja nicht Tag und Nacht mit ihr zusammenhocken. Außerdem ...« »Ja?«
»Also, so wie Jenn es schilderte, hatte ich den Eindruck, dass
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