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Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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erzählt, dass er einen Termin mit einem Banker im zweiten Turm hatte. Roy war zu spät dran, sein Taxi stand im Stau. Plötzlich blieben alle Wagen stehen, die Leute stiegen aus, einige zeigten nach oben. Roy stieg ebenfalls aus und konnte nicht glauben, was er sah. Rauch und Flammen. Menschen, die aus den Fenstern sprangen. Erst drei Tage später bekam er einen Rückflug.«
      »Du lieber Himmel!«, sagte Banks. »Tut mir leid, das hat er mir nie erzählt.«
      »Aber Sie stehen ihm nicht nahe, oder?«
      »Nein.«
      »Jedenfalls war das der Anlass für ihn, mal nachzudenken: über die Ungeheuerlichkeit des Ereignisses, das Schicksal, über Zusammenhänge und welch unvorstellbare Folgen scheinbar unwichtige, beziehungslose Geschehen haben können. Das waren Themen, über die er sprechen wollte. Ich hatte keine Antworten, aber die Kirche, das Gebet, die Kommunion, unsere Gespräche, darin scheint er das zu finden, was er sucht.«
      Banks dachte an das, was Burgess ihm über das Waffengeschäft erzählt hatte. Roy hatte erfahren, dass eine von ihm vermittelte Lieferung in die falschen Hände geraten war. War er wirklich so naiv gewesen zu glauben, Waffenhandel sei ein Geschäft wie jedes andere? Wahrscheinlich hatte er, angelockt vom Geld, nicht lange darüber nachgedacht. Als ihn der Geheimdienst dann warnte, hatte er sich augenblicklich aus der Branche zurückgezogen. Dann hatte er das Attentat auf das World Trade Center miterlebt, und ihn plagte das Gewissen, dass von ihm exportierte Waffen oder Raketen bei so etwas hätten verwendet werden können. Roy erkannte, dass er eine Linie überschritten hatte.
      Selbstmordattentate in fernen Wüstenstaaten sind eine Sache, aber am 11. September 2001 in New York gewesen zu sein und alles miterlebt zu haben, musste erschütternd sein. Offenbar war es Roy danach nicht mehr möglich gewesen, vorsätzlich zu ignorieren, was Terroristen dem Westen antun wollten, wenn sie die entsprechenden Mittel und die Gelegenheit hatten. Unwissentlich oder nicht - Roy hatte damals zumindest die Mittel geliefert. Daher das Schuldgefühl. Roy hatte sich mit der Bitte um Absolution an die Kirche gewandt.
      Das war eine ganz neue Seite seines Bruders, an die sich Banks erst gewöhnen musste. Sie passte nicht zu dem Roy, den er von seiner letzten Begegnung vor acht Monaten in Erinnerung hatte, aber da war er auch der Sohn gewesen, hatte sein Image für die Eltern gepflegt. Hatte Roy den Eltern überhaupt erzählt, was er erlebt hatte? Banks bezweifelte es. Doch trotz seiner Religiosität hatte Roy weiterhin Geschäfte gemacht; er hatte sein Geld wohl kaum gespendet und ein Armutsgelübde abgelegt, von Keuschheit ganz zu schweigen. Schuldgefühle hatten offenbar auch ihre Grenze.
      Was also war mit ihm geschehen? Hatte er seinen moralischen Kompass erneut verloren? Für manche Menschen war das Geldverdienen, mehr als das Geld an sich, eine Sucht wie Spielen, Drogen oder Rauchen. Als Banks im letzten Sommer erfuhr, dass ein alter Schulkamerad an Lungenkrebs gestorben war, hatte er mit dem Rauchen aufgehört. Doch als ein Brand ihm sein Haus, seinen Besitz und fast auch sein Leben nahm, hatte er wieder angefangen. War das etwa logisch? So war das Wesen der Sucht.
      »Hat irgendetwas in Ihren jüngsten Gesprächen Sie zu der Annahme veranlasst, Roy könne wieder in eine gefährliche Grauzone geraten sein?«, fragte Banks.
      »Nein«, erwiderte Hunt. »Nichts.«
      »Seine geschäftlichen Aktivitäten hat er nicht erwähnt?«
      »Wir sprechen nicht übers Geschäft. Unsere Unterhaltungen sind philosophischer Art. Hören Sie, ich weiß, dass Roy kein von sich aus religiöser Mensch ist, schon gar kein Heiliger, auch nicht nach dem, was passierte, aber er hat doch ein Gewissen, das ihn von Zeit zu Zeit drückt. Trotz allem ist er natürlich ein durchtriebener Geschäftsmann, einer von der Sorte, der gerne jeden Schlupfwinkel ausnutzt und nicht zu viele Fragen stellt, aber ich würde sagen, dass er heutzutage sehr viel vorsichtiger ist. Er hat sich selbst Grenzen gesetzt.« Hunt überlegte. »Wissen Sie, er hat immer zu Ihnen aufgeschaut.«
      »Sie halten mich zum Narren.« In seiner Jugend hatte Banks immer alles falsch gemacht. Er war zu spät nach Hause gekommen, beim Stehlen und Rauchen erwischt worden, hatte sich mit anderen geprügelt, die Schule vernachlässigt und schließlich - der größte Verstoß - das BWL-Studium an den Nagel gehängt und einen Beruf

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