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Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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besser noch als Madame Tussaud und der Zoo. Michaela durfte sogar länger aufbleiben. Nicht einmal der Regen dämpfte ihre Freude, während sie in der Schlange von einem Fuß auf den anderen hüpfte, in der Hand eine gelbe Plastiktasche mit rosa Blumen. Bei dem Schneckentempo kam es ihr vor, als würde es überhaupt nicht vorwärts gehen. Michaela wollte kaum glauben, dass das Riesenrad so viel größer war, als sie sich vorgestellt hatte, und dass es sich immerfort drehte, selbst beim Ein- und Aussteigen. Bei dem Gedanken bekam sie sogar ein wenig Angst, aber das war nicht schlimm.
      Schritt für Schritt ging es vorwärts. Kaum war eine Gondel leer, stiegen neue Fahrgäste ein. Ein dicker roter Schlepper kam den Fluss herunter, hinterließ eine pfeilförmige Spur im dunklen Wasser. Es war noch hell genug, um die Männer an Deck zu erkennen. Michaela sah, dass einer in ihre Richtung zeigte. Zuerst dachte sie, er weise auf das Karussell, doch dann traten mehr Männer hinzu, und der Schlepper änderte die Richtung, steuerte aufs Ufer zu.
      Michaela zerrte an der Hand ihres Vaters und bat ihn, mit ihr an den Kai zu gehen, um zu sehen, was die Männer so interessierte. Zuerst dachte sie, ihr Vater würde sich weigern, doch dann wurde auch er neugierig. Er bat Michaelas Mutter, ihnen den Platz in der Schlange freizuhalten, sie kämen sofort wieder zurück.
      Als sie an der Brüstung neben dem Eye standen, hatte der Schlepper fast das Ufer erreicht. Jetzt zeigten auch die Leute auf der Westminster Bridge hinüber, und Michaela fragte sich, ob sie vielleicht einen Delfin oder sogar einen Wal sahen, obwohl sie eigentlich nicht glaubte, dass noch Wale und Delfine in der Themse lebten. Vielleicht war einer aus dem Zoo ausgebrochen. Oder es war jemand in den Fluss gefallen, und die Besatzung des Schleppers versuchte nun, ihn zu retten.
      An der Hand ihres Vaters machte Michaela einen langen Hals, um über die Mauer zu sehen. Es gelang ihr gerade so. Es war Niedrigwasser; direkt unterhalb der Mauer erhob sich eine Böschung aus Kieselsteinen wie ein Walrücken aus dem Fluss. Auf diesem Uferstreifen lag bäuchlings ein Mann, die Arme über dem Kopf, die Beine im Wasser. Michaela wurde von ihrem Vater nach hinten gezogen.
      »Was ist das, Daddy ?«, fragte sie verängstigt. »Was macht der Mann da?«
      Ihr Vater antwortete nicht; er führte sie zurück. Als sie bei der Mutter in der Schlange standen, sagte der Vater etwas, und Michaela hörte das Wort »Leiche«. Kurz darauf liefen auch andere zur Kaimauer. Eine Frau schrie auf. Michaela hatte Angst, dass sie nun nicht mit dem Riesenrad würde fahren dürfen. Wenn da unten eine Leiche lag, würde vielleicht sogar das London Eye anhalten müssen.
     
    Als Reverend Ian Hunt gegangen war, stellte Banks den Golfschläger zurück. Er kam sich reichlich dumm vor. Dann verschloss er die Haustür und ging mit dem restlichen Wein nach oben. Er rief Julian Harwood an und ließ sich bestätigen, dass er Geschäftsführer des Berger-Lennox-Center war. Allerdings sei er nie dort gewesen und habe noch nie von einer Jennifer Clewes gehört. Banks hatte keinen Grund, an seiner Aussage zu zweifeln.
      Plötzlich verspürte Banks den dringenden Wunsch, vor dem Zubettgehen noch etwas Musik zu hören. Er fand eine CD, die er noch nicht kannte: zwei Bach-Kantaten von Lorraine Hunt Lieberson. Roys erstklassige Anlage ließ die reiche Klangfarbe der Streichinstrumente sich entfalten, und als Banks die Augen schloss, konnte er sich vorstellen, inmitten des kleinen Ensembles zu sitzen. Und die Stimme war großartig, allein ihretwegen war man fast bereit, an Gott zu glauben. Banks dachte an Penny Cartwright, wie sie »Strange Affair« gesungen hatte. Anders, aber auch eine herrliche Stimme.
      Banks nippte am Wein, spürte ein angenehmes Summen; er ließ sich von der Musik treiben und dachte an Annie, Roy, Jennifer Clewes und das Berger-Lennox-Center. Er hätte gerne am nächsten Morgen mit Annie ermittelt, aber sie hatte recht - es war nicht sein Fall, und er war nicht in bester Verfassung. Er prüfte seine Gefühle und stellte überrascht fest, wie wenig ihn ihre Bemerkungen verletzten. Im ersten Moment hatten sie wehgetan, aber sie hatten ihre Wirkung entfaltet. Er wusste, dass sie zutrafen. Er hatte die Dinge schleifen lassen. Wenn er auch nicht ganz so schlimm drauf war wie der unglückliche Typ in einem seiner Lieblingslieder von Nick Lowe, so war er doch auf dem besten Weg

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