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Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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dorthin.
      Vor einigen Monaten, vor der Sache mit Phil Keane, hätte Annie Banks vielleicht gerne an ihrer Seite gehabt, aber jetzt traute sie ihm nicht mehr so recht. Womit sie völlig richtig lag. Ihm würde nicht im Traum einfallen, zurück nach Yorkshire zu fahren.
      Die CD war zu Ende. Banks sah sich nach anderer Musik um. Roy hatte nicht die CD von Mahler, aber dafür die Vier letzten Lieder von Strauss, eines von Banks' Lieblingsstücken. Er legte sie auf. Kaum hatte das zweite Lied begonnen, hörte er das Telefon in Roys Büro klingeln. Banks stellte sein Glas ab und eilte über den Flur, um abzuheben.
     
    Der Tatort wurde überragt vom London Eye, einem großen dunklen Halbkreis vor den mondbeschienenen Wolken. Es war jetzt geschlossen, drehte sich aber immer noch langsam, es stand niemals still. Über die Treppenstufen, die zu dem von der Tide bloßgelegten Buckel aus Kieseln hinunterführten, kamen und gingen die Mitarbeiter der Spurensicherung wie Geister. Sie trugen Schutzkleidung. Es war ein Ballett, in dem jeder Tänzer seine Schritte beherrschte. Abgesehen von einem gelegentlichen Ruf oder Gespräch und dem Rauschen der Funkgeräte, lag eine sonderbare Stille über dem Tatort, alles geschah lautlos, als sei das kräftige Herz dieser Stadt stillgelegt. Selbst die Presse hinter dem abgesperrten Bereich war sonderbar ruhig. Bogenlampen beleuchteten glitschige Gesteinsbrocken, Kiesel und öliges Wasser, ein Camcorder der Polizei zeichnete alles auf. Es regnete nicht mehr; auf der Westminster Bridge beobachteten neugierige Zuschauer das Geschehen, Umrisse vor dem ersterbenden Licht im Westen.
      Als Banks in den abgesperrten Bereich kam, erwartete Burgess ihn bereits mit betretener Miene. Am Telefon hatte er Banks erklärt, bei ihm seien die Alarmglocken angegangen, als er im Fernsehen gesehen habe, dass die Leiche eines weißen Mannes in Roys Alter vor dem London Eye angespült worden sei. Die Leiche hätte keine Papiere dabeigehabt, es gebe also noch keinen Beweis, dass es tatsächlich Roy sei, aber es könnte nötig sein, dass Banks vorbeikäme und sich das mal ansähe.
      Da musste man Banks nicht zweimal fragen.
      Burgess fasste ihn am Arm und führte ihn zu einem untersetzten Mann mit einem roten Mondgesicht. »DI Brooke, Lambeth North«, erklärte Burgess, »das ist DCI Banks von der Polizei North Yorkshire, Abteilung Kapitalverbrechen.«
      Die beiden Männer begrüßten sich mit einem Nicken. »DI Brooke?«, fragte Banks. »Dann sind Sie der Kollege, mit dem Annie Cabbot im Jennifer-Clewes-Fall zusammenarbeitet?«
      »Ja, Annie und ich kennen uns schon lange.«
      Banks wies auf den Fluss. »Ist er noch da unten?«
      »Der Polizeiarzt hat ihn für tot erklärt, aber die Spusi ist noch nicht fertig. Sie muss sich beeilen, bald kommt das Hochwasser.« Brooke hielt inne und sah auf seine Füße. »Hören Sie, Superintendent Burgess meinte, es bestände die Möglichkeit, dass es sich um Ihren Bruder handelt?«
      »Ich hoffe bei Gott, dass er es nicht ist«, entgegnete Banks, »aber ja, die Möglichkeit besteht. Er ist verschwunden.«
      »Tut mir leid, dass ich Ihnen das zumuten muss.«
      »Besser als nichts zu wissen«, erwiderte Banks. »Können wir runter?«
      »Im Einsatzwagen der Spusi sind noch Schutzanzüge. Und passen Sie auf, die alten Steinstufen sind ausgetreten und glatt.«
      Mit Schutzkleidung versehen, zeigten Banks und Burgess dem den Tatort bewachenden Kollegen ihre Ausweise, duckten sich unter dem Absperrband hindurch und näherten sich der Treppe. Der untere Absatz lag ein wenig höher als das freigelegte Kiesufer, die Spurensicherung hatte bereits eine Behelfsbrücke aus Holzbrettern gebaut. Sie wippte leicht, als Banks und Burgess darüberliefen. Fast hätte Banks daneben getreten. Ihm wurde klar, wie viel er an diesem Tag bereits getrunken hatte. Leise plätscherte das Wasser gegen die Kaimauer.
      Je näher Banks dem Kiesstreifen kam, desto enger wurde es in seiner Brust. Das Atmen fiel ihm schwer. Burgess nickte einem Kollegen von der Spurensicherung zu, der die Leiche daraufhin so drehte, dass man das Gesicht erkennen konnte. Banks hockte sich mit knackenden Knien hin und schaute in Roys tote Augen. In der linken Schläfe war ein kleines Loch, nahe der Narbe aus der Kindheit, die Banks Roy versehentlich mit einem Spielzeugschwert zugefügt hatte. Banks merkte, dass er wankte. Er stand so schnell auf, dass ihm schwindelig wurde. Burgess

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