Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
akzeptierte das Getränk aber, als es gebracht wurde, und holte ihr Notizbuch hervor.
»Dachte ich mir doch, dass es nicht lange dauert, bis ihr hier rumschnüffelt, bei allem, was da draußen los ist«, sagte der junge Mann. Sein Bizeps wölbte sich, als er Banks' Pint zapfte.
»Wer sind Sie bitte?«
»Cameron Clarke. Der Inhaber. Alle nennen mich CC.«
Obwohl CC protestierte, bezahlte Banks die Getränke und nahm einen Schluck von seinem Bier. »Tja, Cameron, ich muss sagen, ein nettes Bierchen, das Sie hier ausschenken.«
»Danke.«
Banks wandte sich an das Mädchen. »Und wer sind Sie?«
»Kelly«, antwortete sie, trat von einem Fuß auf den anderen und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Kelly Soames. Ich helfe hier nur aus.«
Wie Cameron trug auch Kelly ein weißes T-Shirt mit dem Schriftzug »The Cross Keys Inn« auf der Brust. Auch hinter der Theke brannten Kerzen und ließen erkennen, dass der dünne Stoff eine Handbreit über Kellys tiefsitzender Jeans endete und einen flachen Streifen blasser Haut und den Bauchnabel freiließ, der gepierct war. Banks war der Ansicht, dass die moderne bauchfreie Kleidung aus jedem männlichen Wesen über vierzig einen alten Lüstling machte.
Er sah sich um. Ein Pärchen mittleren Alters, das er beim Betreten des Lokals nicht registriert hatte, saß auf einer Bank unter dem Erkerfenster. Dem Aussehen nach waren es Touristen, denn auf dem Platz neben ihnen lagen Anoraks und eine teure Kameratasche. Einige Besucher rauchten, und Banks musste das plötzliche Verlangen nach einer Zigarette unterdrücken. Er wandte sich an alle im Pub: »Hat jemand mitbekommen, was oben die Straße rauf passiert ist?«
Die Anwesenden schüttelten den Kopf und brummten verneinend.
»Hat in den letzten ein oder zwei Stunden jemand den Pub verlassen?«
»Ein oder zwei«, antwortete CC.
»Ich muss die Namen wissen.«
CC nannte sie ihm.
»Wann fiel der Strom aus?«
»Vor ungefähr zwei Stunden. Unten an der Eastvale Road ist eine Leitung kaputt. Es könnte noch ein oder zwei Stunden dauern, wurde uns gesagt.«
Jetzt war es halb zehn, überlegte Banks, also war der Strom um halb acht ausgefallen. Es würde nicht schwer sein, den genauen Zeitpunkt bei Yorkshire Electricity zu erfragen, aber fürs Erste würde das genügen. Wenn Nick also zwischen sechs und acht Uhr umgebracht worden war, hatte der Mörder eventuell die Gelegenheit ergriffen und den zusätzlichen Schutz der Dunkelheit genutzt. Oder hatte er bereits früher zugeschlagen, zwischen sechs und halb acht? Vermutlich war das nicht von Bedeutung, bloß hatte der Stromausfall Mrs. Tanner veranlasst, nach dem Mieter zu sehen, und so war die Leiche deutlich früher entdeckt worden, als der Mörder gehofft hatte.
»Ist jemand reingekommen, nachdem der Strom ausgefallen ist?«
»Wir sind gegen Viertel vor acht hier gewesen«, sagte der Mann am Tisch vor dem Erkerfenster. »Stimmt' s, Schatz?«
Die Frau neben ihm nickte.
»Wir waren auf dem Weg nach Eastvale, zurück zum Hotel«, fuhr er fort, »und dies war der erste Pub, der auf hatte. Ich fahre sowieso nicht gerne im Dunkeln.«
»Das kann ich gut verstehen«, sagte Banks. »Haben Sie sonst noch jemanden auf der Straße gesehen?«
»Nein. Also, vielleicht fuhr das eine oder andere Auto, aber nachdem der Strom aus war, haben wir niemanden mehr gesehen.«
»Von woher kamen Sie?«
»Von Swainshead.«
»Haben Sie jemanden gesehen, als Sie hier parkten?«
»Nein. Glaube ich zumindest nicht. Der Wind war so laut und die Zweige ...«
»Also war da vielleicht doch jemand?«
»Ich meine, die Rücklichter eines Wagens gesehen zu haben«, sagte die Frau.
»Wo?«
»Den Hügel hinauf. Immer geradeaus. Ich weiß nicht, wo die Straße hinführt. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Wie mein Mann schon sagte, da draußen tobte fast ein Orkan. Es kann auch sein, dass etwas anderes im Dunkeln geleuchtet hat, eine Laterne oder Fackel oder so.«
»Sonst haben Sie nichts gesehen oder gehört?« Beide schüttelten den Kopf.
Möglicherweise hatten sie also ein Auto beobachtet, das die unbefestigte Straße durchs Moor hinaufgefahren war, das war alles. Natürlich würde die Polizei in der Jugendherberge nachfragen, doch es war kaum vorstellbar, dass der Täter dort gemütlich eingekehrt war. Trotzdem, vielleicht hatte ja jemand etwas
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