Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
roten Ziegelsteinbauten mit ihren Schieferdächern. Detective Inspector Broome hatte ohne große Schwierigkeiten die Hausnummer des gesuchten Hauses ausfindig gemacht. Es war nicht unbedingt als Drogenhöhle bekannt, aber Broome hatte keinen Zweifel, dass dort Drogen konsumiert wurden. Vor ein paar Monaten hatte die Polizei nach einem Dealer gefahndet, der ihr durchs Netz geschlüpft war, und bei dieser Suche wurden all dessen bekannte Schlupfwinkel aufgesucht, darunter auch dieses Haus, das seit Anfang 1967 von einem gewissen Dennis Nokes gemietet wurde. Wie die Polizei gehört hatte, herrschte dort eine ziemlich hohe Fluktuation an Studenten, Hippies und Herumtreibern. Nokes bezeichnete sich als Student und Musiker, doch so weit allen bekannt war, hatte er keine Arbeit.
Nach dem anstrengenden Gespräch mit den Mad Hatters am Vortag freute sich Chadwick nicht gerade auf diese Unterredung. Außerdem war ihm unklar, wann er dort am besten vorbeigehen sollte, um jemanden anzutreffen. Schließlich beschloss er, dass es egal sei, und so gingen sie in der Mittagszeit hin. Entweder hingen diese Leute herum, oder sie studierten, und da das Semester noch nicht begonnen hatte, standen die Chancen gut, dass fast zu jeder Tages- und Nachtzeit jemand anwesend sein würde.
Chadwick hörte den Klang einer Akustikgitarre aus dem Haus. Das war ermutigend. Als Enderby an die Tür klopfte, verstummte die Musik, dann vernahmen sie ein Scharren im Flur. An die Tür kam ein junges Mädchen, kaum älter als Yvonne, das lediglich ein schmuddeliges, langes weißes T-Shirt mit einer Zielscheibe auf der Brust trug. Es bedeckte kaum ihre nackten Oberschenkel und war zwar nicht durchsichtig, aber man sah deutlich, dass das Mädchen keinen BH trug.
»Polizei«, sagte Enderby. Beide zückten ihren Dienstausweis und stellten sich vor.
Das Mädchen wirkte weder verängstigt noch nervös, sondern nur ratlos. »Polizei? Ja. Gut. In Ordnung. Kommen Sie rein.« Sie trat zur Seite. Im Flur reckte sie die Arme in die Luft und gähnte. Ihr T-Shirt rutschte noch etwas höher. Chadwick wandte den Blick ab und bemerkte, dass Enderby sich nicht die Mühe machte wegzusehen, sondern mit offener Bewunderung auf die nackten Oberschenkel und die Scham des Mädchens starrte.
»Sie haben mich geweckt«, sagte sie. »Ich hatte gerade so schön geträumt.«
»Wer ist da, Julie?«, rief eine Stimme von oben, dann blickte ein junger Mann vom Treppenabsatz herunter. Er hielt eine Gitarre in der Hand.
»Die Polizei«, sagte Julie.
»Ja, okay, bin sofort da.« Der junge Mann verschwand kurz in seinem Zimmer, dann ging er zur Toilette. Chadwick bildete sich ein, hören zu können, wie Marihuana für mehrere Pfund die Toilette hinuntergespült wurde. Wenn sie vom Rauschgiftdezernat gewesen wären, hätte der Kerl keine Chance gehabt. Er kam ohne Gitarre nach unten. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
»Sind Sie Dennis Nokes?«
»Ja.«
»Wir möchten uns mit Ihnen unterhalten. Können wir uns irgendwo hinsetzen?«
Nokes wies nach hinten. »In die Küche. Julie schläft vorübergehend vorne im Zimmer. Geh wieder ins Bett, Julie! Ist alles in Ordnung. Ich kümmere mich darum.«
Chadwick konnte gerade noch einen Schlafsack auf dem Boden erkennen, bevor sich die Tür schloss.
Die Küche war sauberer, als Chadwick erwartet hatte, auch wenn Janet mit Sicherheit die Nase gerümpft und sich mit Ajax und Olmestos darüber hergemacht hätte. Die Stühle waren mit rotem Plastik überzogen, das im Laufe der Zeit gebrochen war. Auf dem Tisch lag ein rot-weiß kariertes Wachstuch, darauf eine Zeitschrift namens Oz. Auf dem Titelbild umarmte ein weißer Mann einen nackten Schwarzen. Daneben stand ein offenes Glas Orangenmarmelade, dessen Rand mit getrocknetem Sirup verkrustet war. Um ein halb ausgepacktes Stück Butter lagen Brotkrumen. Chadwick sah eine Dose Camp-Kaffee, Salz- und Pfefferstreuer, ein Paket Schokocornflakes und eine halbleere Flasche Milch. Nicht zu vergessen der überquellende Aschenbecher, den Dennis Nokes, wie es aussah, bald noch weiter füllen würde.
Sie nahmen Platz. Enderby holte seinen Block und einen Stift hervor.
»Das ist nur Tabak«, sagte Nokes, als er sich eine Zigarette drehte.
Er hatte einen dunklen Lockenkopf und feine, fast koboldhafte Gesichtszüge. Er trug ein offenes blaues Hemd, eine Jeans und Sandalen. Um den Hals hing eine Kette mit kleinen Perlen in
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