Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
Eingang, sah Banks an den Plastikbechern, noch bevor er einen Schluck getrunken hatte. Es war Milch und Zucker drin. Er ließ seinen Becher stehen, Winsome nahm ihren mit zum Sessel in der Ecke.
»Ich habe mich vor meinem eigenen Schatten gefürchtet und vor jedem Geräusch«, erklärte Chelsea. »Ich wollte so schnell wie möglich da wieder raus.«
»Kennen Sie sich dort aus?«
»Ja, als Kind habe ich dort oft gespielt.«
»Was geschah dann?«
Chelsea dachte nach. »Die fünf Minuten waren fast rum, da hörte ich ...« Sie überlegte. »Also, eigentlich dachte ich am Anfang gar nicht, dass ich was gehört hätte. Es war mehr so ein Gefühl, wissen Sie, als würde einem was über den Kopf krabbeln. Wir hatten einmal Läuse an der Schule, da kam die Frau vom Gesundheitsamt. Ich hatte keine, aber meine beste Freundin Siobhan, und die hat mir erzählt, wie sich das anfühlt.«
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Banks. Die Läuseärztin war auch mehr als einmal an seiner Schule gewesen, nur dass er nicht immer so viel Glück gehabt hatte wie Chelsea. »Und weiter?«
»Also, so fühlte sich das zuerst an, und dann dachte ich, ich hätte was gehört.«
»Was denn?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht. Hinter mir. Als wäre da einer. Vielleicht rieb sich die Jacke an der Mauer. Irgend so was.«
»Konnten Sie Musik hören?«
»Nein.«
»Oder Schritte?«
»Nein, eher so ein Rascheln, wie es eine Jeans oder eine Strumpfhose beim Gehen machen.«
»Okay«, sagte Banks. »Wie reagierten Sie?«
»Ich wollte laufen, aber irgendwie dachte ich, es wäre besser, langsam zu gehen und mich umzudrehen, und das tat ich gerade, als ... als ...« Sie drückte sich die Faust gegen die Lippen.
»Schon gut, Chelsea«, sagte Banks. »Atmen Sie tief durch! Alles in Ordnung. Immer mit der Ruhe. Lassen Sie sich Zeit.«
»Da sah ich ihn.«
»Wie weit war er entfernt?«
»Weiß ich nicht. Anderthalb, zwei Meter vielleicht. Aber ich weiß, dass ich dachte, wenn ich direkt loslaufen würde, könnte ich ihm entkommen.«
»Warum haben Sie es nicht getan?«
»Ich musste zuerst die Schuhe ausziehen, und da war er schon ... Er war nicht allein. Wir erschreckten uns beide. Ich konnte mich nicht bewegen. Schwer zu erklären. Er blieb stehen, als er merkte, dass ich ihn gesehen hatte, und er guckte so, ich weiß nicht, ich meine, er trug keine Maske oder so. Es war dunkel, aber meine Augen hatten sich angepasst. Ich weiß, dass sich das dumm anhört und so, aber er sah echt gut aus, und sein Gesicht, also, sein Gesichtsausdruck, der war eher besorgt, als würde er sich Gedanken machen und nicht... Sie wissen schon ...«
»Sagte er etwas?«
»Nein. Er ... er wollte gerade etwas sagen, als ...«
»Weiter«, sagte Banks. »Was geschah dann?«
Chelsea schlang die Arme um die Knie. »Es geschah alles so schnell und gleichzeitig wie in Zeitlupe. Alles war ganz verschwommen. Hinter ihm bewegte sich etwas, jemand anders war da.«
»Konnten Sie das Gesicht erkennen?«
»Nein.«
»Trug derjenige eine Maske?«
»Nein. Vielleicht einen Schal oder so, der den Mund verdeckte, wie wenn man bei kaltem Wetter vom Zahnarzt nach Hause geht. Ich hatte den Eindruck, dass das Gesicht zum größten Teil verdeckt war. Das ist komisch, aber ich dachte sogar in dem Moment, ja, es wäre wie so ein Superheld aus dem Comic.«
»War der zweite Mensch größer oder kleiner als der Mann?«
»Kleiner.«
»Wie viel?«
»So zehn, fünfzehn Zentimeter.«
Templeton war eins fünfundsiebzig gewesen, also musste sein Mörder zwischen eins sechzig und eins fünfundsechzig groß sein, errechnete Banks. »Was geschah dann?«
»Wie gesagt, es war alles ganz verschwommen. Die zweite Gestalt griff nach vorne, so wie wenn man jemandem beim Spielen oder Ärgern den Arm um den Hals legt, und wischte nur einmal mit der Hand über seinen Hals, so ...« Chelsea zeigte es an sich selbst. »Ganz sacht, eine ganz leichte Berührung.«
»Konnten Sie irgendeine Klinge sehen?«
»Irgendwas blitzte, aber ich konnte nicht sehen, was es war.«
»Sie machen das sehr gut, Chelsea«, sagte Banks. »Wir sind gleich durch.«
»Kann ich dann nach Hause?«
»Ja«, sagte Banks. »Ihre Eltern warten schon unten am Empfang.«
Chelsea verzog das Gesicht.
»Ist das ein Problem?«
»Nee ... Eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher