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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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zumindest den Respekt Ihrer Zunft verlieren. Ihr Agent und Ihr Verleger wären sicher nicht gerade begeistert. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
      Quilley nickte. Er war blass geworden und schwitzte. »Wie viel?«, brachte er mühsam hervor.
      »Wie bitte?«
      »Ich fragte, wie viel. Wie viel ist Ihr Schweigen wert?«
      »Ach, mir geht es nicht um Geld, Mr Quilley, oder darf ich Sie Dennis nennen? Zumindest nicht nur um Geld. Ich bin jetzt Witwe. Ich habe niemanden mehr auf der Welt.«
      Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, und ihre Schweinsäuglein glänzten. Dann warf sie Quilley einen derart widerwärtigen Blick zu, wie er ihn noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
      »Ich habe mir immer ausgemalt, wie schön es wäre, am See zu leben«, sagte sie und zog die nächste Zigarette aus der Packung. »Sie wohnen hier ganz allein, nicht wahr?«
     
     

* Unschuldig
     
    Francis verspätet sich wohl, dachte Reed. Er stand auf der Bahnhofsbrücke und wartete. Allmählich wurde er unruhig und verlor die Geduld; der Griff seiner Tasche schnitt in seine Handfläche, und der Regen, der am Morgen vorhergesagt worden war, hatte mittlerweile eingesetzt.
      Na, toll! Hier stand er, über zweihundert Meilen von zu Hause entfernt, und Francis ließ ihn im Stich. Ganz sicher war sich Reed allerdings nicht. Vielleicht war er ja zu früh. Im Laufe der letzten fünf Jahre hatten sie sich drei- oder viermal verabredet, aber Reed konnte sich nicht erinnern, zu welcher Zeit sie sich immer getroffen hatten.
      Als er sich umdrehte, sah er eine schwerfällige Frau in einem abgewetzten blauen Mantel über die Brücke auf sich zukommen. Mühsam gegen den Wind ankämpfend, schob sie einen großen Kinderwagen, in dem sich zwei kreischende Kleinkinder stritten.
      »Entschuldigung«, rief er ihr zu, »könnten Sie mir sagen, wann die Schule aus ist?«
      Die Frau warf ihm einen sonderbaren Blick zu - ob es Staunen oder Verärgerung war, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen - und antwortete in dem für die Midlands typischen näselnden Akzent knapp: »Halb vier.« Dann machte sie einen weiten Bogen um Reed und eilte weiter.
      Er hatte sich geirrt. Aus irgendeinem Grund hatte er geglaubt, Francis unterrichte nur bis drei Uhr. Jetzt war es fünf vor halb vier, Reed musste also noch mindestens eine Viertelstunde warten, ehe der vertraute rote Ford Escort auftauchen würde.
      Der Regen wurde stärker, der Wind peitschte Reed ins Gesicht. Einige Meter hinter der Brücke war eine Bushaltestelle, dahinter befand sich ein großes modernes Einkaufszentrum, das nur aus Glas und Rolltreppen zu bestehen schien. Reed beschloss, sich in den Eingangsbereich hinter den Schiebetüren zu stellen, wo es warm und trocken war, und dort nach Francis Ausschau zu halten.
      Ab fünf nach halb vier liefen die ersten Schüler über die Brücke zur Bushaltestelle, schwangen ihre Schulmappen, lärmten fröhlich ob ihrer wiedergewonnenen Freiheit. Der Regen schien sie nicht zu stören; die Haare klebten ihnen am Kopf, Wassertropfen hingen an ihren Nasenspitzen. Die Krawatten der Jungen saßen schief, die Socken waren auf die Knöchel hinuntergeruscht, die Schnürsenkel der Schuhe offen - ein Wunder, dass die Kinder nicht darüber stolperten. In Gedanken an seine eigene Schulzeit musste Reed grinsen.
      Und wie verführerisch die Mädchen aussahen, die lachend vor dem Regen in die schützende Passage flüchteten! Nicht die jüngeren, die noch ungeformten, sondern die älteren mit ihren langen Gliedern, die sich ihrer Brüste und der runderen Hüften bereits bewusst waren. Sie kleideten sich nachlässig: Die Blusen waren aus dem Rock gerutscht, die schwarzen Wollstrümpfe verdreht oder am Knie zerrissen. Für Reed besaß diese Nachlässigkeit etwas Erregendes.
      Heutzutage wussten sie bestimmt alle Bescheid, dennoch hatte Reed das Gefühl, die Mädchen strahlten eine gewisse Unschuld aus. Er fand, in ihren Bewegungen liege eine naive, sorglose Anmut, in ihrem Gelächter und ihren Gebärden eine selbstverständliche Freiheit. Das Leben hatte ihnen noch nicht zugesetzt; noch hatten sie nicht seine schwere Last gespürt und in sein dunkles Herz gesehen.
      Immer mit der Ruhe, bremste Reed sich lächelnd. Es war ja in Ordnung, im Büro mit Bill über die sexy Schulmädchen zu witzeln, die jeden Tag am Fenster vorbeigingen, aber es war alles andere als normal, das ernst zu nehmen oder (Gott bewahre!) deswegen tätig

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