Inspector Banks kehrt heim
Zeitschriften, Terry? Zum Beispiel die, die wir bei Ihnen gefunden haben?«
»Das ist was anderes.«
»Erzählen Sie mir nicht, Sie würden sie wegen der Berichte kaufen.«
»Das habe ich nicht behauptet. Ich bin normal. Ich sehe mir gerne nackte Frauen an, so wie jeder Mann.«
»Manche kamen mir sehr jung vor.«
»Herrgott noch mal, das sind Models! Die werden für die Fotos bezahlt. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass man das Magazin überall kaufen kann. Da ist nichts Verbotenes dran.« Reed blickte über die Schulter zu Rodmoor, der den Kopf ungerührt über den Notizblock beugte.
»Und Sie mögen Videos, stimmt's? Wir haben uns mit Mr Hakim aus dem Laden an der Ecke unterhalten. Er hat uns unter anderem von einem Video berichtet, das sie vor Kurzem ausgeliehen haben. Ein Softporno, so nennt man das wohl. Sicher, ist nicht illegal, noch nicht jedenfalls, aber doch ein bisschen komisch. Ich mache mir schon Gedanken über einen Mann, der sich solche Sachen ansieht.«
»Wir leben in einem freien Land. Ich bin ein ganz normaler Junggeselle. Ich habe das Recht, mir jedes Video anzusehen, das ich will.«
»Schule ist aus«, sagte Bentley leise. »Ein bisschen zu viel des Guten, meinen Sie nicht?«
»Aber das sind doch keine echten Schülerinnen! Die Hauptdarstellerin war mindestens dreißig! Außerdem habe ich das nur aus Neugierde ausgeliehen. Ich dachte, es wäre lustig.«
»Und, war es lustig?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Aber Sie verstehen schon, was ich meine, oder? Es macht keinen guten Eindruck: das Thema, das Image. Wirkt alles etwas sonderbar. Irgendwie anrüchig.«
»Ist es aber nicht. Ich bin vollkommen unschuldig, das ist die Wahrheit.«
Bentley erhob sich abrupt, Rodmoor ging aus dem Raum. »Sie können gehen«, sagte der Superintendent. »Es war nett, sich mit Ihnen zu unterhalten.«
»Das war's?«
»Fürs Erste, ja.«
»Aber ich soll in der Stadt bleiben, oder?«
Bentley lachte. »Sie dürfen nicht so viele amerikanische Polizeiserien gucken. Dass Sie überhaupt noch Zeit dafür haben, bei all den unanständigen Videos, die Sie immer ausleihen. Die verdrehen das Gefühl für die Wirklichkeit, Polizeiserien und Pornos. Das Leben ist ganz anders.«
»Danke. Werde ich mir merken«, sagte Reed. »Ich nehme an, ich darf jetzt gehen?«
»Aber sicher.« Bentley wies Richtung Tür.
Reed ging. Als er auf die nasse, kalte Straße trat, zitterte er noch immer. Zum Glück hatten die Pubs noch geöffnet. Er steuerte auf den ersten zu und bestellte einen doppelten Scotch. Normalerweise trank Reed keine harten Sachen, aber dies waren außergewöhnliche Umstände, redete er sich ein, als das feurige Getränk seinen Magen wärmte. Eigentlich musste er zurück zur Arbeit, aber er konnte sich einfach nicht überwinden: Bills Fragen, Franks spürbares Misstrauen. Nein. Reed bestellte noch einen Doppelten und ging anschließend nach Hause. Als er seine Wohnung betrat, zerriss er als Allererstes die Mayfair und verbrannte die Schnipsel im Kamin. Danach vernichtete er seinen Mitgliedsausweis aus der Videothek und warf ihn ebenfalls ins Feuer. Verfluchter Hakim!
»Terence J. Reed, ich habe die Pflicht, Sie wegen Mordes an Deborah Susan Harrison zu verhaften ...«
Reed konnte nicht glauben, wie ihm geschah. Wie konnte das sein? Die Welt vor seinen Augen verlor ihre Farbe und verschwamm, und als er wieder zu sich kam, blickte er in das Gesicht von Rodmoor, der sich über ihn beugte und ihm mit dem mildtätigen Lächeln eines Bibelverkäufers ein Glas Wasser reichte.
Die nächsten Tage waren ein Alptraum. Reed wurde angeklagt und blieb bis zum Prozessbeginn in Polizeigewahrsam. Angesichts der Schwere des Verbrechens kam eine Kaution nicht in Frage. Reed hatte eh kein Geld und keine nahen Verwandten, die ihm hätten helfen wollen. In seinem ganzen Leben hatte er sich nicht so allein gefühlt wie in jenen langen dunklen Nächten in der Zelle. Es passierte nichts Schlimmes. Nichts von den Dingen, die er im Kino oder in Dokumentarfilmen gesehen hatte: Er wurde weder vergewaltigt noch mit einem Messer zur Fellatio gezwungen. Er wurde nicht mal verprügelt. Meistens war Reed mit seinen Ängsten allein im Dunkeln. Er hatte das Gefühl, als würde jede Sicherheit in seinem Leben schwinden. Schließlich war er nicht einmal mehr sicher, was die Wahrheit war: schuldig oder unschuldig? Je mehr er auf seiner Unschuld
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