Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
bestand, desto weniger schien man ihm zu glauben. Hatte er es getan? Vielleicht ja doch.
      Er kam sich vor wie eine aufblasbare Puppe, voller Luft, in eine unbequeme Lage gebracht von Mächten, gegen die er nichts ausrichten konnte. Er hatte keine Kontrolle mehr über sein Leben. Er konnte nicht mehr kommen und gehen, wann er wollte, er konnte nicht einmal mehr für sich selbst denken. Das übernahmen Anwälte und Polizisten. Und in der Zelle, im Dunkeln, schien ihn alles zu erdrücken, in manchen Nächten bekam er kaum noch Luft.
      Als der Prozess endlich begann, war Reed erleichtert. Zumindest konnte er in dem großen, luftigen Gerichtssaal durchatmen, und bald würde alles vorbei sein - so oder so.
      Im überfüllten Saal saß Reed unbeweglich wie eine Statue auf der Anklagebank und kaute unablässig an dem Bart, den er sich hatte wachsen lassen. Er lauschte den Aussagen, die ihn belasteten, alles Indizien, keine unwiderlegbaren Beweise.
      Wenn der Amtsarzt Spermaspuren am Opfer gefunden hätte, erklärte ein Experte, hätte man einen genetischen Vergleich mit der DNA des Angeklagten durchführen können, dann wäre Reeds Schuld oder Unschuld ein für alle Mal bewiesen. Aber so einfach war es nicht: Bei der Toten hatte keine Samenflüssigkeit gesichert werden können. Anhand des Zustands der Leiche vermutete die Gerichtsmedizin, dass der Mörder die Schülerin hatte vergewaltigen wollen, es jedoch nicht geschafft hatte und sie voller Wut erdrosselte.
      Eine Frau namens Maggie, mit der Reed rund ein Jahr zuvor mal etwas gehabt hatte, wurde in den Zeugenstand gerufen. Gegen Ende der Beziehung habe der Angeklagte mehrmals keine Erektion bekommen, und mehr als einmal sei er deswegen wütend geworden, habe immer brutalere Methoden angewendet, um sexuell befriedigt zu werden. Einmal sei er sogar so weit gegangen, ihr die Hände um den Hals zu legen.
      Nun ja, das stimmte. Reed hatte sich Sorgen gemacht. In der Zeit mit Maggie hatte er auf der Arbeit enorm unter Druck gestanden, zu viel getrunken und mehrmals keinen hochbekommen. Ja, und? Konnte doch jedem mal passieren. Außerdem hatte Maggie es so gewollt, auf die harte Tour. Es war ihre Idee gewesen, ihr die Hände um den Hals zu legen. Das hatte sie in so einem perversen Buch gelesen, und er hatte mitgemacht, weil sie gesagt hatte, es helfe vielleicht gegen die Erektionsstörungen. Aus ihrem Mund hörte sich die schäbige Geschichte jetzt viel schlimmer an, als sie gewesen war. Außerdem gab Maggie zu, damals erst achtzehn gewesen zu sein, während Reed noch genau wusste, dass sie sich für dreiundzwanzig ausgegeben hatte.
      Im Übrigen war er nur bei Maggie impotent und aggressiv gewesen. Man hätte alle möglichen anderen Frauen holen können, die seine Sanftheit und Virilität bestätigt hätten, doch andererseits, dachte er, könnte seine Promiskuität zweifellos ebenso sehr gegen ihn sprechen. Was musste er tun, um so normal wie möglich zu wirken, so normal, wie er immer zu sein geglaubt hatte?
      Wie Geister aus Virgils Totenreich traten die Zeugen der Anklage nacheinander auf, um gegen Reed auszusagen. Natürlich lebten sie, aber ihm erschienen sie wie Gespenster: unwirklich, irreal. Die Frau von der Brücke identifizierte ihn als den verschlagenen Mann, der sie gefragt hatte, wann die Schule aus sei. Der indische Kellner und der Wirt aus dem Pub berichteten, wie nervös Reed gewirkt habe. Andere Zeugen hatten ihn auf der Straße gesehen, wo er angeblich der Ermordeten und ihrer Freundin folgte. Hakim war da, um dem Gericht zu erzählen, welche Sorte Videos Reed in letzter Zeit ausgeliehen hatte - unter anderem Schule ist aus -, und selbst Bill schilderte, dass sein Kollege gerne Bemerkungen über die vorbeilaufenden Schülerinnen gemacht hatte: »Er war immer ganz aus dem Häuschen, wenn er mal ein Stückchen schwarzen Stoff gesehen hat, wenn der Wind unter die Röcke blies. Ich dachte immer, das wäre so ein Spleen von ihm. Hab mir nichts dabei gedacht.« Bill zuckte mit den Schultern und warf Reed einen mitleidigen Blick zu. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, stand da Maggie, diese niederträchtige Dido, und konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, als sie dem Gericht schilderte, wie er sie erst missbraucht und dann verlassen hatte.
      Gegen Ende des Prozesses machte selbst Reeds Anwalt einen deprimierten Eindruck. Er tat sein Bestes im Kreuzverhör, aber das Schlimmste war ja, dass alle die Wahrheit sagten, zumindest ihre

Weitere Kostenlose Bücher