Inspector Banks kehrt heim
Sie kniete auf einem Sofa, den runden Hintern dem Betrachter entgegengestreckt. Ihr Gesicht schaute ebenfalls in die Kamera, es sah aus, als hätte sie sich gerade über die glänzend roten Lippen geleckt. Der dünne Träger des Hemdchens war auf den Oberarm gerutscht.
»Nett«, sagte Bentley. »Ein bisschen jung, meinen Sie nicht?«
Reed zuckte mit den Schultern. Es war ihm peinlich; er wusste nicht, was er sagen sollte.
Bentley blätterte die Zeitschrift durch, zögerte kurz bei den doppelseitigen Farbfotos von nackten Frauen in aufreizenden Posen.
»Das ist ja wohl nicht verboten«, brach es aus Reed heraus. »Das kann man an jedem Kiosk kaufen, das ist keine Pornographie!«
»Alles eine Frage des Blickwinkels, nicht wahr?«, gab Inspector Rodmoor zurück, nahm seinem Vorgesetzten die Zeitschrift wieder ab und legte sie zurück.
Bentley grinste. »Beachten Sie ihn nicht«, sagte er. »Er ist Methodist. Wo waren wir stehen geblieben?«
Reed schüttelte ahnungslos den Kopf.
»Haben Sie ein Auto?«, erkundigte sich Bentley.
»Nein.«
»Wohnen Sie ganz allein?«
»Ja.«
»Keine Freundin?«
»Manchmal.«
»Aber keine, die bei Ihnen wohnt?«
»Nein.«
»Die Zeitungen reichen Ihnen, was?«
»Jetzt bitte ich Sie aber -«
»'tschuldigung«, sagte Bentley und hob seine dürre Hand. »Geschmacklos von mir, wirklich. Unangebracht.«
Warum mochte Reed Bentleys Entschuldigung keinen Glauben schenken? Er hatte das untrügliche Gefühl, dass Bentley die Bemerkung mit Absicht gemacht hatte, um Reeds Reaktion zu testen. Hoffentlich hatte er den Test bestanden. »Sie wollten mir sagen, um was es überhaupt geht ...«
»Ja? Warum erzählen Sie mir nicht erst mal, was Sie am letzten Freitag in Redditch gemacht haben? Inspector Rodmoor setzt sich jetzt zu uns an den Tisch und schreibt mit. Immer mit der Ruhe. Lassen Sie sich Zeit!«
Reed erzählte, langsam. Er versuchte sich an alle Details jenes jämmerlichen, verblassten Abends vor fünf Tagen zu erinnern. Zwischendurch fragte Bentley, was er angehabt habe, und Inspector Rodmoor wollte wissen, ob sie sich seinen Regenmantel und die Reisetasche ansehen dürften. Danach herrschte längere Zeit Schweigen. Worüber dachten die beiden nach? Bildeten sie sich eine Meinung über ihn?, fragte sich Reed. Was sollte er eigentlich getan haben?
Nachdem die Polizisten ihn gebeten hatten, ein oder zwei Punkte noch einmal zu wiederholen, klappte Rodmoor sein Notizbuch zu. Bentley stand auf. »Das wär's fürs Erste.«
»Fürs Erste?«
»Eventuell müssen wir noch einmal mit Ihnen sprechen. Weiß ich nicht. Müssen erst einige Punkte überprüfen. Wir nehmen nur den Mantel und die Tasche mit, wenn es Ihnen recht ist, ja? Inspector Rodmoor stellt Ihnen eine Empfangsbestätigung aus. Halten Sie sich zur Verfügung, ja?«
Verwirrt nahm Reed den Zettel von Rodmoor entgegen und hielt die beiden nicht davon ab, seine Sachen einzupacken. »Ich habe eh nicht vor, zu verreisen, falls Sie das meinen.«
Bentley lächelte. Er sah wie ein Bestattungsunternehmer aus, der einen Hinterbliebenen tröstet. »Gut. Nun, wir sind dann weg.« Damit marschierten die beiden zur Tür.
»Wollen Sie mir immer noch nicht sagen, worum es geht?«, fragte Reed ein weiteres Mal, als er ihnen die Tür öffnete. Sie gingen nach draußen, dann drehte sich Inspector Rodmoor stirnrunzelnd um. »Das ist ja das Komische«, sagte er. »Dass Sie es angeblich nicht wissen.«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
Langsam schüttelte Rodmoor den Kopf. »Da muss man ja meinen, Sie würden keine Zeitung lesen.« Mit diesen Worten gingen sie zu ihrem Rover.
Kurz stand Reed in der Tür, beobachtete die sich bewegenden Gardinen gegenüber und überlegte, was Rodmoor gemeint haben mochte. Dann fiel ihm ein, dass er jeden Tag seine Zeitung bekommen hatte, nur zu lustlos, zu müde oder zu beschäftigt gewesen war, um sie zu lesen. Das ging ihm oft so. Die Nachrichten waren meistens deprimierend - das Letzte, was man an einem feuchten Wochenende in Carlisle gebrauchen konnte. Schnell schloss er die Tür und eilte zum Zeitschriftenständer.
Er musste nicht lange suchen. Die Meldung stand auf der Titelseite der Ausgabe vom Vortag. Die Überschrift lautete:
Mord - Midlands unter Schock
Die beschauliche Stadt Redditch in den Midlands steht noch immer unter Schock nach dem brutalen Mord an der
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