Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
sprechen, allerdings mit gewissem Abstand, denn selbst an einem so heißen Tag wie diesem trug Woodruff seinen Mantel und die schwarzen Wollhandschuhe mit den abgeschnittenen Fingern. Er war nicht gerade bekannt für seine Sauberkeit, deshalb achtete ich darauf, dass der Wind nicht von ihm zu mir wehte. Auch wenn es nicht sehr windig war.
      »Morgen, Ezekiel«, sagte ich. »Hab gehört, der kleine Johnny Critchley war vorgestern hier in der Gegend.«
      »Angeblich«, murmelte er.
      »Hast du ihn nicht gesehen?«
      »Ich war nicht hier.«
      »Du hast ihn also nicht gesehen?«
      »Hat die Polizei auch schon gefragt.«
      »Und was hast du geantwortet?«
      Er wies auf das andere Ufer, auf die Rückseite der dortigen Siedlung. »Ich war da drüben«, erklärte er. »Manchmal werfen die Leute was Gutes weg, selbst heutzutage.«
      »Aber hast du Johnny gesehen?«
      Er schwieg, dann sagte er: »Ja.«
      »Auf dieser Seite?«
      Woodruff nickte.
      »Um wie viel Uhr war das?«
      »Ich hab keine Uhr, aber es war nicht lang, nachdem der Bekloppte vorbeigegangen ist.«
      »Meinst du Colin Gormond?«
      »Ja, der.«
      Das hieß, Johnny war, auch nachdem Colin vorbeigegangen war, allein am Kanal gewesen. Das war Longbottom wahrscheinlich schon bekannt, trotzdem hatte er Colin geschlagen. Irgendwann bekommt er das zurück, dachte ich. Die Brise frischte auf, ich roch alten Schweiß und Schlimmeres. »Was hat Johnny gemacht?«
      »Nichts Besonderes. Er lief da einfach entlang.«
      »In welche Richtung?«
      Woodruff zeigte es mir. »Da runter. Richtung Stadt.«
      »Allein?«
      »Ja.«
      »Und es kam niemand auf ihn zu?«
      »Nein. Nicht solange ich geguckt habe.«
      Da ich nicht glaubte, dass ich von Ezekiel Woodruff noch mehr erfahren würde, verabschiedete ich mich. Ich kann nicht leugnen, dass mir der Gedanke durch den Kopf ging, der Alte könne etwas mit Johnnys Verschwinden zu tun haben, aber ich hätte mich schon sehr strecken müssen, um das Wie und Warum zu erklären. Auch wenn der alte Woodruff noch so sonderbar war, hatte es doch nie ein Gerücht oder den Verdacht gegeben, er sei über Gebot an kleinen Jungs interessiert, und ich wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen wie Jack Blackwell. Meinen Verdacht hob ich mir für später auf.
      Über uns brummte ein Kampfflieger. Ich beobachtete, wie er sich im blauen Himmel fallen ließ und drehte. Wie gerne wäre ich an seiner Stelle gewesen. Ich hatte immer bedauert, im Krieg kein Pilot gewesen zu sein. Ein Boot voller Soldaten kam vorbei. Ich machte Platz für das Pferd auf dem Treidelpfad, das das Boot zog. Zu meinem Verdruss bekam ich den schweißigen Pferdegeruch mit voller Wucht ab und einen dampfenden Haufen Pferdeäpfel vor die Füße. Das roch noch schlimmer als Ezekiel Woodruff.
      Ziellos lief ich in die Richtung, die Johnny laut Ezekiels Aussage genommen hatte: zur Stadt. Zwischendurch kam mir Jack Blackwells verächtlicher Satz in den Sinn, ich sei nicht in der Lage, Johnny zu finden. Meine Schlauheit aus den Büchern. So eine billige Beleidigung war von einem Schwachkopf wie Jack Blackwell zu erwarten, dennoch tat sie mir weh. Es war sinnlos, ihm zu erzählen, dass ich zwei Tage lang unter den Leichen meiner Kameraden im Dreck gelegen hatte. Ich konnte ihm nicht erklären, dass ich einen jungen deutschen Soldaten überrascht und mit dem Bajonett erstochen hatte, dass die Klinge in seinem Körper abgebrochen war. Jack Blackwell war zu ung, um im letzten Krieg im Einsatz gewesen zu sein, aber wenn es auf dieser Welt Gerechtigkeit gab, würde er bald an die Front müssen.
      Der Kanal führte hinterm Bahnhof entlang. Ich überquerte die schmale Brücke und bahnte mir meinen Weg zwischen den Evakuierten hindurch zum Vorplatz. Mary Critchleys Ruf hallte mir in den Ohren: »Mr Baschcombe! Mr Baschcombe!«, hörte ich sie schreien.
      Als ich auf die schwarze Fassade des Postamts und die Statue des Schwarzen Prinzen auf dem City Square schaute, traf mich unvermittelt die Erkenntnis. Plötzlich glaubte ich zu wissen, was mit Johnny Critchley geschehen war. Zuerst aber musste ich zurückgehen und eine wichtige Frage stellen.
      Es war später Vormittag. Der Bahnhof roch nach feuchtem Ruß und warmem Öl. Gruppen von Kindern drängten sich auf den Bahnsteigen, wollten wissen, wohin sie fuhren. Sie trugen Namensschilder und kleine Pappkartons. Erwachsene mit Klemmbrettern - größtenteils

Weitere Kostenlose Bücher