Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
länger von Journalisten belagert.
Arno blickte ihnen hinterher. Ken beschwerte sich lautstark, daß die Strecke viel zu lang wäre. Einen Moment später trottete Arno in die Küche, um den Abwasch zu erledigen. Er war sich darüber im klaren, daß er sich eigentlich über das Verhalten der Beavers echauffieren müßte, aber sein eigener Seelenzustand war so labil, daß die Gegenwart anderer und deren Schwächen ihm gleichgültig waren.
Seine Veränderung hatte gestern eingesetzt. Kurz nach der bemerkenswerten Diskussion über das Testament des Meisters hatte der ansonsten äußerst zaghafte Arno so etwas wie ein unausgesprochenes Vertrauen gespürt. Er war erwählt! Gewiß nicht wegen seiner bemerkenswerten Fähigkeiten, was geistige Führung anbelangte (Arno hatte noch nie zu der Sorte Menschen gehört, die sich der Selbstüberschätzung hingaben), und dennoch hatte der Meister ihn für fähig gehalten. Gestern nacht hatte er vor dem Zubettgehen (er war sofort eingeschlafen) um Kraft und Stärke gebeten, um seine neue Verantwortung couragiert annehmen und ihr gerecht werden zu können.
Glücklich und gelassen wachte er auf, nur um gleich wieder neuen und beunruhigenden Gedanken nachzuhängen, die ihn zu Tode ängstigten. Geschwind sprang er aus dem Bett, als sorge Geschwindigkeit dafür, daß die schweren Gedanken in den Laken zurückblieben. Er kleidete sich an und stürzte sich umgehend auf seine Tätigkeiten und Pflichten. Heute erledigte er nicht nur die ihm übertragenen Aufgaben, sondern auch die Hälfte aller anderen, die auf der Liste eingetragen waren.
Leider mußte er feststellen, daß körperliche Aktivität nicht die richtige Antwort auf seine Befindlichkeiten war. Wie beschäftigt sein Körper auch sein mochte, seine Gedanken überschlugen sich, spülten immer wieder dieses eine und zutiefst beunruhigende Gefühl an die Oberfläche seines Bewußtseins. Seine leidenschaftliche Zuneigung zu May hatte ihn endgültig überwältigt, und da der Meister mit seinem letzten Willen sie und ihn noch enger zusammengebracht hatte, stand Arno kurz davor, sich ihr zu offenbaren.
Im Verlauf des Tages hatten sich dazu mehrere Gelegenheiten geboten, von denen ihm keine passend erschienen war. An einem bestimmten Punkt hatte er an Mays Vorliebe für alles Indigofarbene denken müssen, sich kurzentschlossen in den Garten begeben und jede blaue Blume, die er finden konnte, gepflückt. Mit einem Arm voller Lupinen, Rittersporne und Glockenblumen war er ins Haus zurückgekehrt, hatte dann aber allein bei dem Gedanken, sie ihr zu schenken oder seine Liebe zu gestehen, Angst bekommen und gekniffen.
Eins der Probleme - nun, eigentlich das Hauptproblem -war, daß Arno sich nicht länger einreden konnte, seine Gefühle für sie wären rein, nobel und spiritueller Natur. Inzwischen war ihm ein Licht aufgegangen: Es würde ihm in Zukunft nicht genügen, in platonischer Ergebenheit gemeinsam mit ihr den prosaischen Alltag zu verleben. Sie aus respektvoller Distanz zu verehren. Auf einmal wollte er mehr.
»Oh«, rief Arno laut in der Küche aus. »Ich bin kaum besser als ein wildes Tier.«
Gegen diesen Ausbruch von Zügellosigkeit hatte er sich zur Wehr gesetzt. Seine Duschbäder waren kälter geworden, seine Haut rosa von den rücksichtslosen Abreibungen mit dem Luffaschwamm. In Bruder Athelstans Kräuterbuch hatte er im Kapitel mit der Überschrift »Das Ablegen schlechter Stimmungen« nachgeschlagen und den Rat befolgt, Ysop zu sammeln, ihn im Backofen zu trocknen, zu zerbröseln und in Mandelöl zu rühren, die Paste auf den Bauch zu reiben, die Beine auf ein Kniekissen zu betten und zu ruhen. Pflichtschuldig hatte er die Prozedur vollzogen und sich hinterher tatsächlich besser gefühlt. Allerdings war seine Haut blau angelaufen.
Er war mit sich ins Gericht gegangen, was sich als schwierig herausstellte, hatte sich redlich bemüht, positiven Gedanken nachzuhängen, was ihm wiederum außerordentlich leichtgefallen war. Auch hatte er die vom Meister vielbeschworene innere Quelle allen Wissens strapaziert, ohne Ergebnis. Irgendwann war Arno an den Punkt gelangt, sein in Wallung versetztes Blut als gegeben hinzunehmen. Allein das Wissen, daß er anständig bleiben und seine Gefühle für sich behalten würde, spendete ihm Trost. Und anständig war er geblieben. Bis heute.
Erst heute war ihm ein Licht aufgegangen. Er hatte einsehen müssen, daß er keinen Frieden finden würde, wenn
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