Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
durchaus die Möglichkeit, daß er es nicht uns vermacht hat.«
Während sich alle mit dieser neuen, beunruhigenden und ungeahnten Möglichkeit beschäftigten, stellte sich Schweigen ein. Nach längerem Überlegen meldete sich May zu Wort. »Er muß es uns vermacht haben. Wir waren seine Familie - seine Angehörigen. Das hat er einmal zu mir gesagt.«
»Zu mir auch«, gestand Arno.
»Weiß denn keiner von euch, wem dieses Haus zufällt?« fragte Christopher. »Immerhin seid ihr beiden am längsten hier.«
Arno schüttelte den Kopf. Wie schnell sie sich einem so alltäglichen Thema zuwandten, deprimierte ihn sehr. »Wir haben über alles andere geredet. Über administrative Dinge, wie man Kurse zusammenstellt, über die Finanzierung. Auf dieses spezielle Thema kam die Sprache nie.«
»Es bestand ja auch kein Grund dazu«, meinte May. »Jedenfalls bis jetzt nicht.«
»Hatte er einen Anwalt?«
»Über derlei Dinge hat er nie ein Wort verloren. Seine Bank oder - besser gesagt - die Bank der Lodge ist die National Westminster in Causton.«
»Dann frag dort nach, May«, schlug Ken vor, »wenn du das nächste Mal hinkommst. Du bist diejenige, die die Konten verwaltet. Dich kennen sie.«
»Zumindest akzeptieren sie meine Unterschrift«, gab May zu. »Aber nur bei gewöhnlichen Angelegenheiten. Ich glaube nicht, daß sie verpflichtet sind, mich in die persönlichen Angelegenheiten des Meisters einzuweihen.«
»Sie könnten dir wenigstens sagen, ob ein Kredit existiert.«
»Ein Kredit?« Ken war entrüstet. »Jesus - an so was habe ich gar nicht gedacht.«
»Er war einfach nicht von dieser Welt«, seufzte Heather.
»Sollte mich nicht wundern, wenn er kein Testament hinterlassen hätte.«
»Dem stimme ich nicht zu«, meinte Arno. »Er hat garantiert an uns gedacht und seine Angelegenheiten geregelt.«
»Höchstwahrscheinlich - er hat sich über Tims Zukunft Gedanken gemacht«, glaubte May.
»Andererseits hängt unser Verweilen an diesem Ort«, gab Christopher zu bedenken, »nicht nur von Backsteinen und Mörtel ab, oder? Alle Gemeinschaften, ob religiös oder profan, brauchen einen führenden Geist, auf den sie sich beziehen können. Unser Geist ruhte in ihm. Wer außer ihm kann Vorträge halten, Energiefelder neu aufladen, spirituellen Rat erteilen?«
»Ich bin qualifizierte Therapeutin.« Heather war leicht eingeschnappt. An den Wänden ihres Zimmers hingen fünf gerahmte Zertifikate, darunter eins, das den erfolgreichen Abschluß eines Kurses als Dienerin des Venustempels belegte. »Christopher hat recht«, meinte Janet, die eine ganz andere Meinung zum Thema Beratung hatte als Heather. Normalerweise ging so etwas folgendermaßen vonstatten: Heather saß, ziemlich selbstgefällig auf einem Stuhl, während ihr »Klient« sein Problem erläuterte. Nachdem sie herausgestellt hatte, daß ! jedes Leiden, ob seelisch oder körperlich, das äußere Ergebnis einer inneren spirituellen Ignoranz war, wartete sie kurzerhand mit einer astralausgerichteten Lösung auf. Kaum hatte der Klient seine Rechnung bezahlt und war gegangen, beklagte Heather sich darüber, wie sehr ihre Kunden sie auslaugten.
»Schließlich«, fuhr Janet fort, »sind wir hier alle Laien. Unsere Pflichten waren praktischer Natur. Wir haben Dinge hergestellt, uns darum gekümmert, daß der Laden läuft. Ich habe den Eindruck, unsere zahlreichen Fähigkeiten sind ein wenig dürftig.«
»Du sprichst für dich«, meinte Ken.
Arno machte dem sich daraufhin einstellenden betretenen Schweigen ein Ende. »Hat schon jemand nach Mrs. Gamelin gesehen?«
»Ich möchte sie nicht wecken«, meinte May. »Es ist gerade mal acht Uhr. Sie wird wahrscheinlich noch ein paar Stunden ruhen. Ich habe ihr Ziesttee verabreicht.«
»Herrje, diese Frau hat so viel nötig.« Heather straffte ihre Schultern und legte den Daumen und den kleinen Finger an die Nasenwurzel. Dies tat sie in einer Art und Weise, als ballten sich in ihren Nasenhöhlen wundersam heilende Kräfte zusammen. »Ich weiß wirklich nicht, ob ich damit fertig werde.«
»Darum hat dich auch niemand gebeten, oder?« sagte Janet, stand auf und schenkte sich Tee ein.
Am Ende lief es darauf hinaus, daß May sich um Felicity kümmerte. Gegen neun Uhr öffnete sie vorsichtig die Tür des Erkerzimmers, warf einen Blick durch den Türspalt und entdeckte hinter einem Wust aus grauem, auf dem Boden liegendem Stoff eine
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