Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Händen, den Werkzeugen seines Gewerbes, besonders sorgfältige Pflege angedeihen zu lassen. Abgesehen davon, daß er sie hoch versichert hatte ... >wie die Beine von Fred Astair<... wusch er sie jeden Morgen sorgfältig, stets mit der hochwertigsten, von Hand hergestellten Glyzerinseife. Erst wenn er seine Hände mit einem frischen weißen Handtuch abgetrocknet hatte, setzte er sich an seinen Computer.
Rex war von dem Glauben des Mannes an dieses Ritual so beeindruckt gewesen, daß er umgehend ein eigenes kreiert hatte. Die Bedeutung von Ritualen war ihm nicht unbekannt. Er hatte schließlich Handbücher wie >Wie werde ich ein erfolgreicher Schriftsteller< gelesen. Es gab kaum einen Titel dieser Art auf dem Markt, der nicht in seinem Bücherregal stand. Rex begann stets Punkt elf Uhr mit der Arbeit. Keine Minute früher oder später. Zu diesem Zweck stand ein Radio auf seinem Schreibtisch. Sobald das Zeitzeichen ertönte, griff er zu seinem Stift. Wenn die Zeitansage zu Ende war, hatte er den ersten Satz geschrieben. Diese Prozedur war für ihn derart lebenswichtig, daß ein Nichteinhalten derselben geradezu ruinös für die Tagesarbeit war. Er schrieb trotzdem seine zweitausend Worte, kam jedoch nie so richtig in Fahrt.
Jetzt, um fünf Minuten vor elf, wurde an die Tür des Hauses >Borodino< geklopft. Rex, der in diesem Moment in sein Arbeitszimmer getreten war, hörte es mit einer Mischung aus Ärger und Schreck. Handelte es sich um eine Angelegenheit, die er in fünf ... nein, er warf einen Blick auf seine Taschenuhr ... vielmehr in vier Minuten erledigen konnte? Oder stand da jemand, den er hereinbitten mußte?
Eines war sicher. Er hatte keine Chance, sich in seinem Arbeitszimmer unbeirrt ans Werk zu machen, während jemand draußen vor seiner Tür stand. Zum einen war er durchs Fenster deutlich zu sehen, zum anderen konnte er die Vorhänge jetzt nicht mehr zuziehen, ohne seine Anwesenheit zu verraten. Der Verdruß nahm seinen Lauf. Er öffnete die Tür. Draußen stand Gerald.
»Rex ... entschuldigen Sie bitte.« Er trat ein. »Ich weiß, Sie fangen um diese Zeit zu arbeiten an ...«
»Ja. Um elf Uhr eigen ...«
»Ich muß unbedingt mit Ihnen reden.«
»Ist es wegen des Essens?« Rex wollte eine Schachtel Pralinen stiften, nachdem man ihn davon abgebracht hatte, eines seiner berühmten Curry-Gerichte zuzubereiten.
»Nein. Aber es ist wegen heute abend. Gewissermaßen ... sozusagen.«
Zu Rex' großem Kummer steuerte Gerald geradewegs auf sein Allerheiligstes zu. Rauschte durch die Tür, nahm die Ausbeute des Vortags vom Sesselpolster, legte die Seiten auf den Boden und nahm Platz. Rex blieb nervös stehen. Er konnte sich nicht entschließen, sich hinter seinen Schreibtisch zu setzen, nur um seichte Konversation zu machen. Er wartete. Aber Geralds anfängliche Entschlossenheit schien plötzlich verpufft. Er starrte geistesabwesend in den Garten ... ohne die Vögel am Vogelbecken oder Rex' großen Hund, Mont-calm, wahrzunehmen, der selbstvergessen über gefrorene Kohlstrünke trottete. Rex beobachtete ihn verstohlen.
Gerald sah aus wie ein Gespenst. Er war nicht rasiert und wirkte ungewaschen. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Hände zuckten spastisch. Rex wurde von echter Sorge erfaßt und verdrängte alle Gedanken an Die Nacht der Hyäne. Er sagte: »Gerald, alter Junge. Sie sind ja völlig groggy Tasse Kaffee gefällig?«
Gerald schüttelte den Kopf. Rex, der sich einen zweiten Sessel herangezogen hatte, roch seinen alkoholisierten Atem. Sie saßen sich einige Minuten schweigend gegenüber, bis Gerald zu sprechen begann.
»Muß erbärmlich klingen.« Es folgte eine lange Pause. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.« Er sah Rex zum erstenmal offen an. Er wirkte verzweifelt und verlegen zugleich. »Wie ich es auch drehe und wende ..., das Ganze muß Ihnen verdammt merkwürdig vorkommen.«
»Wieso das denn?« entgegnete Rex, der sich bereits für den verlorenen Arbeitstag entschädigt fühlte. Fand er sich doch plötzlich in der angenehmsten aller Situationen: Neugier hatte ihn gepackt, und er durfte hoffen, daß diese sogleich befriedigt werden würde.
Gerald hatte diesen Augenblick wieder und wieder hinausgezögert. Jetzt blieb ihm keine Zeit mehr. Und so tatterig und geschwätzig der gute alte Rex auch sein mochte, war er doch der einzige, an den Gerald sich wenden konnte. Die Frage war nur, wie er sich ihm verständlich machen
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