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Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Titel: Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Ohne jede Vorwarnung begann er mich anzuschreien, stellte Fragen, machte mir bittere Vorwürfe. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, kam jedoch gar nicht zu Wort. Warum ich das tun würde. Was er falsch gemacht habe. Ob ich ihn umbringen wolle.
      Plötzlich sank er in meinen Sessel und bekam keine Luft mehr. Ich vergaß meine Verärgerung und hatte nur noch Angst, daß er einen Herzanfall erleiden würde. Ich holte eine Flasche Whisky und zwang ihn, ein Glas davon zu trinken. Und dann gab ich ihm noch eines. Irgendwie sah ich keinen anderen Ausweg mehr, als ihn betrunken zu machen und dadurch ruhigzustellen. Und der sonst so penible, beherrschte Gerald schüttete das scharfe Zeug achtlos in sich hinein. Schließlich rief ich vom Schlafzimmer aus Ava an. Währenddessen brach Gerald in Tränen aus.
      Ich hatte die Schlafzimmertür einen Spalt breit offen gelassen und beobachtete, wie er nach meinem Schal griff, der neben meinem Mantel auf der Couch lag, ihn an die Wange hielt und küßte.«
      Max Jennings trank einen Schluck Wasser. Troy beobachtete ihn mit verächtlicher Miene.
      »Vielleicht haben Sie es längst erraten. Normalerweise bin ich auch nicht gerade von gestern, aber die Idee, daß Gerald diese Gefühle für mich hegen könnte, war mir nicht im Traum gekommen. Erstens hatte nichts an seinem Aussehen oder Benehmen auf homosexuelle Neigungen gedeutet. Zumindest nicht für einen heterosexuellen Mann wie mich. Jedenfalls war ich fest entschlossen, ihn endgültig loszuwerden. Ich wollte vor allem vermeiden, daß er mir seine Gefühle gestand. Also bin ich ins Zimmer zurückgegangen und habe ihm knapp und sachlich erklärt, daß mir meine Freundin eine Szene gemacht habe, weil ich sie wegen ihm versetzt hatte. Ich müsse jetzt umgehend zu ihr.
      Doch Gerald reagierte darauf gar nicht. Ich war hilflos. Einerseits wollte ich ihn nicht hinauswerfen, andererseits aber auch nicht allein in meiner Wohnung zurücklassen. Also beschloß ich, ein Taxi zu rufen. Als ich jedoch nach dem Hörer griff, sprang Gerald auf mich zu, entriß mir den Hörer und flehte: »Schick mich bitte nicht weg!« Er brach erneut in Tränen aus, fiel vor mir nieder und umklammerte meine Knie. Ich verlor dadurch das Gleichgewicht, und wir purzelten beide über den Teppich. Es war eine groteske Szene.
      Ich versuchte wieder, ihn zu beruhigen. Schließlich bekam er meine Hand zu fassen. Aber diese Berührung war alles andere als zweideutig. Es war vielmehr eine Geste der Verzweiflung, der Akt eines Ertrinkenden. Ich fühlte mich auf jeden Fall nicht mehr durch ihn belästigt und half ihm auf die Füße. Wir gingen in die Küche. Ich kochte Kaffee. Bevor er eine Chance hatte, sich zu outen, verdeutlichte ich ihm, daß eine homosexuelle Beziehung für mich völlig undenkbar wäre.
      Außerdem machte ich ihm klar, daß unsere Bekanntschaft in dem Moment enden würde, da er auch nur ein Wort in dieser Richtung äußerte. Danach waren die Fronten abgesteckt, die Atmosphäre gereinigt. Gerald entspannte sich. Er war ziemlich betrunken. Und das war vermutlich auch der Grund für das, was dann geschah.«
      »Und das wäre, Mr. Jennings?« hakte Barnaby ein.
      »Er hat mir die Geschichte seines Lebens erzählt«, antwortete Max Jennings. »Und zwar die Wahrheit.«
      An diesem Punkt der Vernehmung mußte ein neues Tonband in den Kassettenrecorder eingelegt werden. Barnaby beobachtete Jennings aufmerksam. Er saß erneut auf der Stuhlkante und zitterte leicht. Seine Schultern waren gesenkt, und seine Hände lagen bewegungslos im Schoß. Er machte gar nicht den Versuch, den Blickkontakt zu Barnaby wiederherzustellen, sondern hielt die Augen starr auf den Boden gerichtet, als er fortfuhr:
      »Der Gerald Hadleigh, der sich zu meiner Geburtstagsfeier eingefunden hatte, war eine reine Erfindung. Selbst der Name stimmte nicht. Er war als Liam Hanion in Südirland geboren worden, das einzige Kind armer Eltern. Die Familie besaß einen Kartoffelacker, ein Schwein und eine Schrotflinte für die Kaninchen. Sein Vater war ein überaus brutaler, gemeiner Mann, ein Trinker, der seine Frau mehr als einmal halbtot schlug ... genau wie den Jungen, wenn dieser sich ihm in den Weg stellte. Es war ein elendes Leben, das Mutter und Sohn um so enger zusammenschweißte, je schlimmer es wurde. Und irgendwie überlebten die beiden. Die Nachbarn sahen einfach weg. Wenn einem Mann gelegentlich die Hand ausrutschte, dann ging das nur ihn und seine Frau

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