Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
einen Freund vom schönen Liam erfahren hatte, traf Conninx eine Verabredung, um den Jungen persönlich kennenzulernen. An Sex war der Maler nicht interessiert. Obwohl auch er schwul war, konzentrierte sich der über siebzigjährige Conninx damals mit all der ihm verbliebenen Kraft auf die Malerei.
Er erkannte auf den ersten Blick, daß Liam das ideale Modell für ihn war ... in seiner Autobiographie beschreibt er die erste Begegnung mit dem Jungen besser, als ich es je könnte. Das stellte Conor vor Probleme. Er forderte für jede Sitzung nicht nur eine große Summe, sondern stellte, da Geld für Conninx keine Rolle spielte, außerdem die Bedingung, bei den Sitzungen mit anwesend sein zu können. Unter dem Vorwand versteht sich, seinen jungen Schützling vor dem alten >Päderasten< schützen zu müssen.
In Wahrheit konnte Conor es sich nicht leisten, Liam in Gegenwart eines so reichen, intelligenten und erfolgreichen Mannes wie Hilton Conninx unbewacht zu lassen. Er mußte fürchten, seine Macht über den Jungen zu verlieren, die auf den schrecklichen Kindheitserlebnissen basierte.«
Jennings machte eine kurze Pause und stützte den Kopf in beide Hände, so als könne er dadurch frische Kraft schöpfen.
»Schließlich gewann Conors Geldgier jedoch die Oberhand. Als Liams Manager, oder vielmehr als sein Lude, hatte er für jede Begegnung 100 Guineen gefordert. Conninx hatte angedeutet, daß mindestens zwölf Sitzungen nötig sein würden. Mitten während der zweiten Sitzung legte Conninx jedoch plötzlich den Pinsel aus der Hand und erklärte, er könne in Anwesenheit einer dritten Person unmöglich arbeiten. Er wolle beide Sitzungen voll bezahlen, aber damit sei die Sache dann beendet. Liam erfuhr später, daß das ein Bluff war und Conninx in jedem Fall nachgegeben hätte, wenn Conor hart geblieben wäre. Aber 1200 Guineen waren Ende der Fünfzigerjahre eine unglaublich hohe Summe, besonders wenn man keinen Finger dafür rühren mußte.
Jedenfalls war das der Anfang vom Ende für Conor. Während der wenigen Besuche in seinem Atelier hatte Conninx geschickt Liams Geschichte herausbekommen und versuchte nun, den Jungen zu überreden, sich von Conor zu befreien. Was allerdings leichter gesagt als getan war. Liam hatte so lange in der Abhängigkeit von Conor gelebt, daß er glaubte, ohne ihn nicht existieren zu können. Er hatte kein Zuhause und praktisch kein Geld. Conninx jedoch gab nicht auf. Der Maler verfügte nicht nur über Geld, sondern hatte auch Einfluß. Conor, der seit ihrer Ankunft in Dublin mit der Unmoral gute Geschäfte gemacht hatte, war nicht in der Lage, sich zu wehren. Eines Abends kehrte Liam von der Sitzung bei Conninx nicht zurück. Dafür erschien dessen Chauffeur, um seine Habseligkeiten abzuholen. Conor übergab sie ihm, und damit war die Sache besiegelt.
Liam blieb 15 Jahre bei Conninx und führte dort ein Leben, wie er es nie zuvor gekannt hatte. Conninx behandelte ihn mit liebevollem Respekt. Er versuchte ihn in den schönen Künsten, wie zum Beispiel in Malerei und Musik, zu unterweisen ... leider mit wenig Erfolg ... und ermutigte ihn zu lesen. Während ihrer ersten vier oder fünf gemeinsamen Jahre entstanden viele Portraits des Jungen. Damals besaß Conninx noch sein Augenlicht. Der Maler hatte die Marotte, seine Modelle nie in zeitgenössischer Kleidung oder Umgebung zu malen. So wurde Liam als viktorianischer Geistlicher, algerischer Bergjunge, persischer Prinz oder türkischer Pascha dargestellt.
»Er wurde Conninx Gefährte, sein Sekretär und Freund. Obwohl sie nie eine sexuelle Beziehung hatten, besteht kaum ein Zweifel, daß Conninx den Jungen sehr geliebt hat. Liams Gefühle waren schwieriger zu deuten. Wie jedes einsame, gequälte Kind blieb er ein Leben lang dankbar für die kleinste Zuneigung, die er bekam, vermochte die Gefühle anderer jedoch nie in gleicher Weise zu erwidern. Möglicherweise ist seine Fähigkeit zu lieben irreparabel beschädigt worden. Vielleicht waren Conninx Wiedergutmachungsversuche deshalb vergeblich. Es gibt eben Dinge im Leben, die lassen sich nicht heilen, finden Sie nicht auch?«
Barnaby, der nie richtig darüber nachgedacht hatte, entschied, daß Jennings vermutlich recht hatte. Und das deprimierte ihn noch mehr.
»Sagten Sie nicht, daß dieser Mr. Conninx das Augenlicht verloren hat, Sir?«
»Ja, einige Jahre vor seinem Tod. Liam hat praktisch alles für ihn getan. Und als Conninx schließlich
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