Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
zufrieden mit sich. Er hatte nicht gereizt reagiert. Vielleicht paßte sich sein Magen den neuen Mahlzeiten schon an; schrumpfte möglicherweise, um sich auf den bescheidenen Input einzustellen, der mittlerweile seine Tagesration darstellte. Allerdings war das Frühstück auch erst eine halbe Stunde her.
Wenig später kehrte Troy mit einem Tablett zurück. Er brachte zwei Tassen Kaffee und eine große Packung KitKat mit.
»Sind Sie wegen Jennings schon zu einem Entschluß gekommen?« erkundigte sich Troy, nachdem er Kaffee verteilt und seine Packung KitKat geöffnet hatte. »Ich meine, halten Sie ihn noch für verdächtig?«
»Nicht unbedingt. Wir überprüfen seine Geschichte über Hadleighs Vergangenheit. Falls Conor Neilson das Leben führt, das uns beschrieben wurde, muß er der irischen Polizei bekannt sein.«
»Ist auch kein alltäglicher Name.«
»Drüben in Irland schon. Und das Labormaterial ist auch nicht gerade ermutigend.« Er deutete auf mehrere Hochglanzfotos und Berichte auf seinem Schreibtisch. »Jennings Fingerabdrücke finden sich im Wohnzimmer auf mehreren Geschirrteilen, einem Aschenbecher und der Haustür. Im ersten Stock nichts ...«
»Kein Wunder. Der Mörder trug Handschuhe.«
»Unterbrechen Sie mich nicht!«
»Entschuldigung.«
»Dann das Problem mit den Schuhen. Keine Fasern von den Teppichen auf der Treppe oder im Schlafzimmer. Keine Hautpartikel, keine Blutspuren. Sie sind absolut sauber. Und Sie wissen so gut wie ich, daß man einen derartigen Mord nicht begehen kann, ohne etwas vom Tatort mitzunehmen. Sie arbeiten im Augenblick an seinem Anzug, aber ich habe keine große Hoffnung, daß sie fündig werden.«
»Sie meinen also, daß es eine Sackgasse ist?«
Barnaby zuckte mit den Schultern und legte den Stift beiseite. Troys Eindruck, daß sein Chef sich durch das Gespräch mit dem Chiefsuperintendent nicht aus der Ruhe hatte bringen lassen, war falsch. Obwohl Jahre der Erfahrung und ein verhältnismäßig ausgeglichenes Temperament Barnaby halfen, kühl und beherrscht zu bleiben, hatte die ganze Angelegenheit Wirkung hinterlassen. Er spürte deutlich die ersten Anzeichen einer Depression.
Der Grund dafür war ihm bekannt. Er hatte genau das getan, wovor er andere stets warnte. Seit dem Gespräch mit St. John war sein Blickwinkel immer enger geworden. Während er nach außen hin mal dieser mal jener Theorie den Vorzug gegeben hatte, war sein Verdacht in Wirklichkeit allein auf Jennings konzentriert gewesen.
Entweder hatte Max Jennings Hadleigh umgebracht, oder aber er besaß Kenntnisse, die den Schlüssel zur Lösung des Mordes darstellten. In diesem Fall war Jennings Verhaftung und der Abschluß des Falles, zumindest in Barnabys Vorstellungswelt, so untrennbar miteinander verknüpft, daß er die Tatsache nur schwer akzeptieren konnte. Jennings hatte wenig mit ersterem und fast gar nichts mit letzterem zu tun. Die Frage war nun, was das für Barnaby bedeutete.
Wenn er davon ausging, daß Jennings die Wahrheit sagte, gab es drei Möglichkeiten. Erstens, daß Hadleigh von einem Zufallsmörder umgebracht worden war, der das Haus mit einem Koffer voller Frauenkleider, aber ohne eine Rolex im Wert von mehreren tausend Pfund verlassen hatte, was Barnaby wenig wahrscheinlich erschien.
Zweitens, daß er von einer Person getötet worden war, die ihn entweder in seiner Frauenrolle oder als homosexueller Partner gekannt hatte. Stellte man Gerald Hadleighs Meinung über Sex - ein erniedrigendes Bedürfnis, das man an menschenunwürdigen Orten mit verwerflichen Leuten befriedigte - in Rechnung, eröffnete sich ein äußerst deprimierendes Szenario. Es bedeutete, daß sie nach jemandem suchen mußten, der Hadleigh fünf Minuten gekannt hatte, ihm vielleicht nach einer intimen Begegnung nach Hause gefolgt war, sich die Lebensumstände angesehen hatte und zu einem späteren Zeitpunkt zurückgekehrt war, um zu sehen, was für ihn dabei heraussprang.
Ermittlungen in dieser Richtung erschienen nahezu unmöglich. Es konnte Jahre dauern, bis ein Beamter mit einem exzellenten Erinnerungsvermögen aus einem winzigen Hinweis die richtigen Schlüsse zog. Vorgekommen war das allerdings schon.
Die dritte Möglichkeit bestand darin, mit den laufenden Ermittlungen in bewährter Art fortzufahren, was weit weniger kompliziert war. Hadleigh hatte sehr zurückgezogen gelebt. Gesellschaftlich hatte er nur mit den Mitgliedern des
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