Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Blätter im grauen Winterlicht purpurfarben glänzten. Und ... sollte das etwa tatsächlich Cotoneaster sein?... Sicher nicht?...
»Großer Gott! Es ist eine Rothschildiana.«
»Ach ja?« Troy starrte verständnislos auf die kleinen cremefarbenen Blüten.
»Was für ein Juwel. Ich besitze die Exvuriensis. Auch hübsch. Aber damit natürlich nicht zu vergleichen.«
»Nein, selbstverständlich nicht. Ganz unmöglich.« Troy suchte krampfhaft nach einer intelligenten Antwort. Er haßte es, sich eine Blöße zu geben. Dann kam ihm ein Geistesblitz. »Sind die nicht reich, Chef? Die Rothschilds, meine ich? Millionäre oder so?«
»Sie haben einen großartigen Park in Hampshire. Exbury. Mit Pflanzenverkauf.«
Troy nickte nichtssagend. Sein Interesse an den blauen Blüten, das noch nie überwältigend gewesen war, erlosch nun abrupt. Er besaß nicht die Spur gärtnerisches Talent. Eine seiner ersten Handlungen nach dem Einzug in sein kleines Reihenhaus war die Asphaltierung des Vorgartens gewesen.
»Der Eingang sieht nicht gerade vielversprechend aus«, bemerkte Barnaby. Vor dem Eingangsportal über einer Treppenflucht mit ziemlich verfallenen Stufen hatte sich ein Wall von trockenen Blättern und Ästen gebildet. »Die Tür scheint seit Jahren nicht mehr geöffnet worden zu sein.«
Während sie um das Haus herumgingen, sagte Troy nur halb im Scherz: »Bettler und Hausierer zum Hintereingang.«
An der Seite des Hauses entdeckten sie eine Art Schuppentür, die aus groben Brettern zusammengenagelt war und schief in den Angeln hing. Das war der einzige Eingang, den sie entdecken konnten. Barnabys lautes Klopfen blieb allerdings ohne Reaktion.
Er wartete einige Minuten und wollte es gerade erneut versuchen, als Troy seine Hand festhielt. Eine Frau hatte ein winterlich kahles Gemüsebeet durchquert und kam jetzt über den mit Platten ausgelegten Hinterhof auf sie zu. Sie war groß, ungefähr fünfzig und trug über einem formlosen Wollrock eine uralte Barbourjacke und einen Südwester. Sie hatte sich einen alten Lederbeutel um den Hals gehängt, der über der schroffen Brüstung ihres Busens hin und her baumelte wie der Futtersack eines Pferdes. Ihr flächiges Gesicht mit den dunklen, buschigen Augenbrauen und einen Mund, der an eine Kaninchenfalle erinnerte, wirkte blasiert. Sie war, wie Troys Vater gesagt hätte, so häßlich wie die Nacht finster.
»Hab ich's mir doch gleich gedacht«, murmelte Troy, bevor sie in Hörweite kam. »Drakulas Mutter ist im Anmarsch.«
Zur Verblüffung der beiden Polizisten ging die Frau an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, schob den Holzriegel beiseite und schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Barnaby kochte vor Wut. Er donnerte umgehend mit der Faust gegen die klapprige Holzkonstruktion, woraufhin die Tür kurz darauf von innen wieder aufgerissen wurde.
»Was erlauben Sie sich? Können Sie nicht lesen?« Das Ungeheuer deutete auf ein verwittertes Metallschild mit der Aufschrift: »Hausieren Verboten! Keine Wurfsendungen!< »Verschwinden Sie gefälligst. Und zwar ein bißchen plötzlich! Sonst rufe ich die Polizei.«
»Die Polizei sind wir«, entgegnete Barnaby, und sein Hilfssheriff grinste heimlich über den schlagfertigen Konter.
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Weil Sie uns ja nicht haben zu Wort kommen lassen.« Barnaby griff in die Manteltasche und zückte seinen Dienstausweis. »Chefinspektor Barnaby. Kriminalpolizei Causton.«
»Was wünschen Sie?«
»Wir haben ein paar Fragen an Sie. Sie sind Miß Lyddiard, nehme ich an?«
»Fragen worüber?«
»Dürften wir kurz reinkommen?«
Honoria Lyddiard sog gereizt die Luft ein, trat jedoch dann einen Schritt zurück. Barnaby und Troy betraten einen Art Mehrzweckraum mit der Grundfläche eines größeren Bungalows. Er war vollgestopft mit Möbeln, einer alten Wäschemangel, Gartenutensilien, Sportgeräten - Crocket- und Tennisschläger sowie Netz - plus einem Fahrrad. An einer Seite stand eine große Werkbank, auf der Dahlienknollen und Blumenzwiebeln zwischen anderen Gartengerätschaften trockneten.
Hier könnte eine fünfköpfige Familie spielend unterkommen, überlegte Sergeant Troy, während er schweigend hinter den anderen herging. Was allerdings längst nicht bedeutete, daß er ein Herz für Heimat- und Obdachlose hatte.
Am anderen Ende des Raumes befand sich eine wesentlich solidere Tür mit
Weitere Kostenlose Bücher