Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
einem Drahtglasfenster. Honoria stieß sie auf, und sie standen plötzlich in der Küche. Auch das war ein geradezu hallenartiger Raum mit hoher Decke, schäbig möbliert und eiskalt.
Hier waren sie allerdings mit einem Mal zu viert. Eine kleine, rundliche Frau in ausgebeulter Hose und mehreren Pullovern unter einer mit Schmetterlingen bestickten Jacke knetete Teig an einem uralten Backtisch. Sie hielt stumm bei ihrer Arbeit inne, als sie hereinkamen, wirkte verlegen und etwas ängstlich, so als fühlte sie sich ertappt.
Barnaby, der nicht wußte, ob sie die Schwägerin, die Köchin oder jemand ganz anders war, wartete darauf, vorgestellt zu werden. Vergeblich.
»Wir ermitteln in einem Todesfall, der nach einem Verbrechen aussieht.« Er wandte sich an beide Frauen gleichzeitig. »Es handelt sich dabei leider um einen Ihrer Nachbarn, Mr. Hadleigh.«
Der Chefinspektor registrierte, daß ihn beide Frauen ungläubig, aber kaum überrascht anstarrten. Es war die altbekannte Reaktion, die er bis zum Ende des Tages sicher noch mehrfach erleben würde. Niemand fand sich leicht damit ab, daß ein Mensch, den man kurz zuvor wohlauf und lebendig gesehen hatte, plötzlich tot sein sollte. So etwas passierte normalerweise nur anderen, Menschen mit unbekanntem Namen aus der Zeitung, einem fremden Gesicht auf dem Fernsehschirm.
Die Frau in der dicken Wolljacke war leichenblaß geworden. Sie hatte ein hübsches Gesicht, dem Glück und Freude viel besser gestanden hätte als das Entsetzen, das sich jetzt darin abzeichnete.
»Gerald? ... Aber wir sind doch erst... O mein Gott!«
»Herrgott, Amy. Du vergißt dich! Du bist nicht irgend jemand!« Honoria ergriff den Arm ihrer Schwägerin und drückte sie unsanft auf den nächsten Stuhl. »Wir sind nicht allein.«
»Entschuldigung.« Amy sah sich hilflos um.
»Hier muß ein entsetzlicher Irrtum vorliegen«, erklärte Honoria kategorisch. Es klang wie: Was nicht sein darf, kann nicht sein.
Barnaby konnte sich gut vorstellen, wie dieser weibliche Feldmarschall an der Küste stand und den Wellen verbat, an den Strand zu spülen.
»Ich fürchte, leider nein, Miß Lyddiard. Mr. Hadleigh ist vorige Nacht getötet worden.«
»Getötet? Wollen Sie behaupten ...?«
»Ermordet. Ja. Leider.«
Amy brach umgehend in Tränen aus. Honoria verschlug es offenbar die Sprache. Ihre Miene war völlig ausdruckslos geworden. »Verstehe«, brachte sie schließlich hervor.
»Soviel ich erfahren habe, fand in seinem Haus gestern abend ein Treffen statt. Und Sie beide waren anwesend.«
»Einfach furchtbar.«
»Kann man wohl sagen.«
»Und das in Midsomer Worthy! Ich habe die Leute immer wieder gewarnt. Aber auf mich hört ja keiner.« Ihre grauen Augen waren direkt auf Barnaby gerichtet. Der Chefinspektor fröstelte unwillkürlich. Selten hatte er einen Gesichtsausdruck gesehen, der eine derartige Kälte ausstrahlte. »Die Barbaren sind auf dem Vormarsch!«
»Ich bin sicher, Sie möchten uns helfen ...«
»Was haben wir mit dieser schrecklichen Sache zu schaffen? Ich bin eine Lyddiard, wie die Frau meines Bruders. Unser Name ist der Stoff, aus dem England gemacht ist. Wir sind über jeden Verdacht erhaben.«
Heiliger Strohsack, seufzte Troy innerlich. Statt seine Mütze abzunehmen, schob er sie nur in den Nacken und sah sich unverhohlen geringschätzig im Raum um. Sein Blick erfaßte rissige Farbe an den Wänden, freistehende altmodische Schränke, und einen riesigen Electrolux-Kühlschrank, der schon aus der Mode gewesen war, bevor Adam ins Apfelgeschäft eingestiegen war. Er würde Maureen nicht mal zumuten, ihre Joghurt da reinzustellen. Wenn ich mir nichts Besseres als das hier leisten könnte, würde ich mich erschießen, dachte Troy mit herzerwärmender Überheblichkeit.
»... und daher begreifen Sie es sicher als Ihre Pflicht, uns in jeder erdenklichen Weise behilflich zu sein«, fuhr Barnaby gerade fort. Er machte eine Pause und überlegte, ob er mit dem Wort >Pflicht< den Bogen nicht etwas überspannt hatte. Offenbar nicht.
»Natürlich wollen wir alles tun, um diese Mißgeburt der gerechten Strafe zu überführen. Falls es das heute überhaupt noch gibt.«
Barnaby schloß aus dem sehnsuchtsvollen Unterton, daß Honoria die Zeiten herbeisehnte, als man jemanden noch öffentlich aufknüpfen konnte, nur weil er den Hund seines Herrn gestreichelt hatte. »Können Sie uns vielleicht sagen,
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