Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
dem Fuß hinter sich zu: »Wird sonst zu laut«, erklärte er.
Er sollte recht behalten. Der Krach war einfach furchterregend. Sie hörten das Splittern von Knochen, mahlende Kaugeräusche und sonores genußvolles Knurren. Vor der Tür schien eine Art hündisches Gelage stattzufinden. Mit der freien Hand klappte Rex die Schreibfläche eines häßlichen, fleckigen Schreibtischs herunter. Die Polizisten betrachteten erstaunt das Sortiment an Knabberzeug, das sich dahinter auftat. Von Crackern über Schokoriegel, Käseplätzchen und Bonbons war so ziemlich alles vertreten, was das Herz begehrte. Zwischendrin stand sogar ein Glas mit eingelegten Perlzwiebeln. Rex schenkte >Tizer< aus und verteilte die Becher.
»Bitte ...« Er deutete mit der Hand auf die reichhaltige Kollektion an Leckerware. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
»Nichts, danke«, wehrte der Chefinspektor ab.
»Die Auswahl ist groß«, pries er seine Schätze beharrlich an. »Von pikant bis süß ... Da bleiben keine Wünsche offen. Ich habe auch Eis. Der ganze Kühlschrank ist voll. Erdbeer oder Vanille? Das Nußparfait ist leider ausgegangen.«
»Wirklich nicht.«
»Ich habe auch klassisch gute Nüsse zu bieten.« Als dieses Angebot ebenfalls auf Ablehnung stieß, ging Rex zu einem alten, abgeschabten Sessel. Auf halbem Weg blieb er kurz vor einem Kleiderständer stehen, um die Falten eines Capes zu ordnen und die Krempe eines kleinen runden Hutes zurechtzubiegen.
»Das sind Montcalms Sachen. Er trägt sie bei jedem neuen Manöver. In seiner Eigenschaft als Regimentsmaskottchen.«
Den beiden Polizeibeamten fielen fast die Pappbecher aus der Hand.
Rex deutete auf den großen grünen Tisch. »Das zeigt die Belagerung Konstantinopels. Eine verdammt spannende Sache ... wenn auch mit schrecklichem Ausgang. Das Ende des byzantinischen Reiches. Nur viertausend Tote ... aber fünfzigtausend landeten in der Sklaverei. Ahh ...« Er schloß beide Männer in sein liebenswertes, friedliches Lächeln ein. »Damals wußte man eben noch, wie man Kriege führt. Ich frage Sie ... wo liegt der Spaß, wenn man nur noch auf Knöpfe drücken muß?« Er ließ sich in seinem Sessel nieder. »Aber Sie wollen mir jetzt sicher erklären, weshalb Sie hier sind.«
Barnaby schilderte es ihm. Vor der Kulisse eines Modellkriegs mit Spielzeugsoldaten und Geschützfeuer aus Wattebäuschchen berichtete der Chefinspektor von Gerald Hadleighs sehr realistischem unfreiwilligem Ableben.
Die Wirkung auf Rex St. John war durchschlagend. Er starrte lange mit offenem Mund gegen die Wand. Dann preßte er die Hände über seine Ohren, als könne er damit auslöschen, was er gerade gehört hatte, schüttelte heftig den Kopf und schrie: »Das ist nicht wahr! Das darf nicht wahr sein ...« Er begann zu zittern.
Barnaby ging durchs Zimmer und legte dem alten Herrn die Hand auf die Schulter. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Sir?«
»Ich hab's getan. O Gott... ich bin es gewesen ...«
»Augenblick, Mr. St. John.« Barnaby zog seine Hand zurück. Troy kam hastig auf die Beine. »Wollen Sie den Mord an Gerald Hadleigh gestehen? Wenn ja, dann ist es meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß alles, was ...«
»Es war meine Schuld! Er hat mich gebeten, ihn zu beschützen, und ich habe versagt.« Rex rang die Hände. »Was habe ich nur getan! Gerald ... ohhh ...«
Barnaby stellte einen der Eßtischstühle neben den Sessel, setzte sich und bat: »Jetzt erst mal der Reihe nach. Und lassen Sie sich Zeit. Kein Grund zur Eile.«
Dann sprudelte Rex wie aus der Pistole geschossen alles heraus. Es war so, als könne er nicht erwarten, das Schreckliche endlich loszuwerden. Die Worte sprangen aus seinem Mund wie die bösen Geister aus der Dose der Pandora. Nur allmählich kristallisierte sich das Wesentliche heraus: Daß er von Gerald angefleht worden war, ihn nicht mit Max Jennings allein zu lassen. Daß Rex ihm versprochen hatte zu bleiben, bis der Mann das Haus verlassen hatte, dann aber auf dessen Trick hereingefallen war. Daß er daraufhin nach Hause gegangen und wieder zurückgekommen war und im Regen gestanden hatte. Daß er Angst bekommen, sich beobachtet gefühlt hatte und erneut nach Hause geflohen war. Dann brach er in Tränen aus.
»Bitte beruhigen Sie sich, Sir. Es ist viel zu früh, sich Vorwürfe zu machen. Wir wissen ja nicht mal, ob Mr. Jennings etwas mit der ganzen Sache zu tun hat.«
»Aber das liegt doch auf der
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