Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
gegen Coca-Cola und Marsriegel eintauschte.
Sues Tochter und Ehemann waren beide spät nach Hause gekommen. Brian war nach der Schule von zwei Kollegen in ein Pub abgeschleppt worden. Dort hatte er ihre Bitte, ihnen alles über das Drama zu erzählen, gründlich mißverstanden und sie stundenlang mit einer erbarmungslos detaillierten Schilderung von >Slang-Mix Für Fünf Stumme Stimmen< tödlich gelangweilt.
Amanda, die in der Schule nur ganz beiläufig erzählt hatte, daß sie wie ein Murmeltier geschlafen habe, während im Nachbarhaus ein Mord passiert war, fand sich plötzlich zum ersten Mal in ihrem Leben im Mittelpunkt des Interesses wieder. Der absolute Heuler war, daß in der Folge die ausgekochte Haze Stitchley, Boß einer eigenen Gang, Mandy nach der Schule auf einen Imbiß mit Video (Vampir Sex Sklaven) eingeladen hatte.
Weder Brian noch Mandy war natürlich auf die Idee gekommen, Sue Bescheid zu sagen, die sich verständlicherweise große Sorgen gemacht hatte. Mandy, mit unverkennbarer Alkoholfahne, war sich bei ihrer Rückkehr keiner Schuld bewußt. Brian dagegen, der sich vermutlich an die Schrecksekunde im Direktorat erinnerte, fühlte sich durchaus schuldig. Und Schuldgefühle äußerte er, indem er ausrastete. Jedenfalls rührte keiner von beiden das Abendessen an, einen köstlichen Zwiebelauflauf mit Ingwersauce, so daß Sue sich allein zu Tisch setzte und jeden Bissen aus purer Wut hinunterzwang. Jetzt gab sie gerade einen Apfel in Brians Box und legte eine reife Banane in Mandys Salatschüssel.
Im Nebenzimmer dröhnte der Fernseher. Brian lachte so gezwungen und aufdringlich wie immer, wenn er Mandy imponieren wollte, ohne selbst eigentlich amüsiert zu sein. Sue lauschte den Versuchen der beiden, sich gemeinsam totzulachen. Daddy und sein kleines Mädchen! Ein reizendes Pärchen. Sue verstand die beiden nicht. Immerhin war ihr unmittelbarer Nachbar auf bestialische Weise ermordet worden.
Von all dem Krach bekam Sue Kopfschmerzen. Seltsamerweise konnten die Kinder der Spielgruppe soviel Lärm machen, wie sie wollten, ohne je diese Wirkung auf Sue zu erzielen. Sie legte einen Schal um, trat hinters Haus und machte die Tür zu. In windstiller Dunkelheit sang eine Amsel im alten Apfelbaum. Der Kontrast zwischen diesem Gesang und dem häßlichen Radau in ihrem Wohnzimmer trieb ihr die Tränen in die Augen.
Schließlich wurde der Fernseher ausgeschaltet, und Mandy ging zum Zähneputzen ins Badezimmer. Sue konnte ihre Gestalt hinter dem Milchglas erkennen. Schließlich knallte Mandy die Tür wieder hinter sich zu, und nur Sekunden später dröhnte >Nirwana< durch sämtliche Ritzen ihres Schlafzimmerfensters. Die Amsel streckte die Waffen. Brian kam heraus.
»Ich muß mit dir reden«, erklärte er ernst und hielt die Küchentür für sie auf. Sue fühlte sich wie ein Kind, das eine Abreibung erwartete, und ging hinein.
Nachdem sie sich gesetzt hatten, schien Brian, gespannt wie eine Feder, nicht in der Lage anzufangen. Er trommelte gegen den Kühlschrank und fummelte an den Magnetbuchstaben der Seitenwand herum, so daß aus Hallo >Holal< wurde. Dann saugte er die Backen ein und spielte an seinem Bart. Sue kannte die Anzeichen. Er wollte sie fertigmachen, wußte nur noch nicht genau, womit er günstigerweise anfangen sollte. Sue begann mit Beruhigungsübungen. Einatmen und bis zehn zählen, ausatmen bei zwölf, Hände fest im Schoß verschränkt halten.
»Ich fasse es nicht. Nein, es ist einfach nicht zu fassen!«
»Was denn, Brian?«
»Der Mord an Gerald ist doch gleich heute morgen entdeckt worden, stimmt's? Korrigiere mich, wenn ich falsch liegen sollte.«
»Nein, das stimmt. Die arme Mrs. Bundy hat ihn gefunden.« Eines Tages, überlegte sie, korrigiere ich dich tatsächlich, mein Lieber, und dann fällst du vor Schreck tot um.
»So gegen zehn Uhr?«
»Ungefähr.« Und ich vermutlich dann auch.
»Und ... und ...« Aber es funktionierte nicht. Seine Fassungslosigkeit überwältigte ihn sichtlich. Brian mußte innehalten und den Kopf schütteln, bevor er fortfahren konnte: »Und du hast mich tatsächlich schon um drei Uhr angerufen, um es mir zu sagen?«
»Ich habe dir doch schon erklärt, daß ...« Sie stellte sich eine Insel mit weißem Sand und leise plätschernden Wellen unter stahlblauem Himmel vor.
»Fünf Stunden später?«
»Ja. Ich war ...« Da gab es auch noch einen wunderschönen Paradiesvogel mit
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