Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
die Büros der Fluglinien bereits geschlossen gehabt. Deshalb habe es einige Zeit gedauert, bis sie an die gewünschte Information gekommen seien. Demnach wäre ein Max Jennings am Achten des Monats auf keiner Passagierliste der Flüge aufgetaucht, die Heathrow mit dem Ziel Finnland verlassen hatten.
* Die FRAU In Schwarz
Barnaby erschien am nächsten Morgen schlecht gelaunt und unausgeschlafen im Präsidium. Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Nach Atem ringend und mit einer scheinbar tonnenschweren Bettdecke kämpfend, war er aus einem Alptraum erwacht.
Daraufhin hatte er sich um sechs Uhr, noch in tiefster winterlicher Dunkelheit, aus dem Bett gequält, den Wecker ausgestellt und Tee gekocht. Danach, während Joyce noch schlief, hatte er dem Getränk ein köstliches, unheimlich ungesundes Frühstück mit Gebratenem folgen lassen und dem gierig dreinschauenden Kilmowski schadenfrohe Grimassen geschnitten. Der Postbote kam, während er zu Tisch saß. Zwei Gartenkataloge und die Telefonrechnung waren die Ausbeute.
Barnaby stellte das Geschirr in die Spüle, kochte frischen Tee und brachte Joyce eine Tasse ans Bett. Als er wieder herunterkam, spürte er die ersten Anzeichen sich ankündigender Verdauungsstörungen, und Kilmowski saß vor dem Kühlschrank und miaute kläglich.
»Hast schnell begriffen, hinter welcher Tür das Schlaraffenland liegt, was?« Er zog Mantel und Schal an. »Brauchst dich hier erst gar nicht häuslich einzurichten. In zwei Wochen sind die Deinen wieder da.«
Im Büro behandelte Troy seinen Boß wie ein rohes Ei. Daß die Zeichen auf Sturm standen, erkannte er sofort. In dieser Stimmung konnte der Sergeant ihm absolut nichts recht machen. Selbst wenn er nur dastand und gar nichts tat oder sagte, nahm er ihm seine Gedanken übel. Oder die Art wie er angezogen war. Oder wie er sein Haar gekämmt hatte. Oder wie er sein linkes Bein hielt. Troy hätte sich genausogut umbringen können. Jetzt allerdings setzte er erst mal die Tasse mit großer Vorsicht auf den Unterteller.
»Was soll das sein?«
»Kaffee, Sir.«
»Er ist kalt.«
»Aber ich habe ihn gerade erst...«
»Widersprechen Sie mir nicht!«
»Nein, Sir.« Troy zögerte. »Soll ich anderen Kaffee holen?« Ein braunes Röhrchen wurde aufgeschraubt und altbekannte Tabletten herausgenommen. Zwei wurden achtlos mit dem kochend heißen Kaffee hinuntergespült. Barnaby quollen die Augen aus den Höhlen, und Schweißperlen traten auf seine Stirn.
»Ein Glas Wasser gefällig, Chef?« Troy traf ein vernichtender Blick.
»Finden Sie das witzig?«
»Überhaupt nicht. Ich wollte nur ...« Eine geballte Faust schoß durch die Luft, und Troy suchte auf Zehenspitzen das Weite.
Draußen im Korridor war seine Niedergeschlagenheit augenblicklich verflogen. So viel das Leben im Präsidium der Polizei von Causton auch zu wünschen übrig lassen mochte, gab es doch eine Person, die alle Defizite auf einen Schlag wettmachen konnte. Und ausgerechnet sie kam Troy jetzt entgegen: die appetitliche Blondine Audrey Brierley, Inbegriff aller physischen Freuden.
Troy deutete auf die Tür, aus der er gerade geflohen war, machte eine warnende Grimasse und fuhr sich in eindeutiger Gestik mit dem Daumen über die Kehle. Audrey verengte ihre baby-blauen Augen und maulte: »Nichts als leere Versprechen!« Dann ließ sie ihn stehen.
Barnaby setzte sich derweil an seinen Schreibtisch, schloß die Augen, stützte den Kopf in die Hände und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Die Tagesbesprechung war für halb elf angesetzt. Er machte sich ein paar Notizen und stand wieder auf.
Der Chefinspektor versuchte, sein Team demokratisch zu leiten. Wenn es seine Zeit erlaubte, hörte er jedem zu, sprach mit jedem. Denn er war sich durchaus bewußt, daß intelligente Einsichten auch bei den unteren Chargen in der strengen Polizei-Hierarchie zu finden waren. Wurde er tatsächlich fündig, gab er Ehre wem Ehre gebührte. Diese keineswegs weitverbreitete Haltung bedeutete, daß er von der Mehrzahl seiner Leute respektiert (wenn auch nicht immer geliebt) wurde.
Zwei Ermittlungsteams waren eingeteilt. Das erste, dem mehrere zivile Bürokräfte angehörten, bediente im Präsidium Telefone und Computer, sammelte und koordinierte die Informationen. Das zweite Team, das sogenannte Fußvolk, schwärmte in die Umgebung aus, sah sich um, hörte zu, stellte Fragen. Dreißig Personen verstummten
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