Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
nahm ihren Teebecher und murmelte zum wiederholten Mal: »Was für ein schrecklicher Tag.«
»Ja, wirklich. Furchtbar. Einfach furchtbar.«
Sie hatten bereits endlos darüber gesprochen. Amy begann schon damit, kaum daß sie ihren Mantel ausgezogen hatte.
Es war jetzt vierundzwanzig Stunden her, daß die Polizei in >Gresham House< gewesen war. Nach diesem Besuch und seinen schrecklichen Enthüllungen hatte Amy erwartet, daß sie und Honoria sich zusammensetzen und ihre Fassungslosigkeit gemeinsam besprechen ... den ersten Schock bei einem warmen, tröstenden Getränk gemeinsam überwinden würden. Aber Honoria hatte sich lediglich darauf beschränkt, eine weder originelle noch fundierte Schimpfkanonade über den gesellschaftlichen Niedergang Englands und die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen loszulassen.
Amy und Sue hatten beide etwas geweint, wie sie das auch jeder für sich allein am Vortag getan hatten. Sue hatte geweint, nachdem die Nachrichtengeier sie schließlich in Frieden gelassen hatten. Amy während der kurzen Augenblicke, die sie in der Kapelle St. Chads nach dem Besuch an Ralphs Grab allein verbracht hatte.
Sue gab löffelweise Blütenhonig in ihren Tee. »Ich wollte Laura und Rex mit einladen«, berichtete sie. »Als ich wußte, daß du kommst. Aber Laura war wirklich sehr kurz angebunden, und Rex schien überhaupt nicht zu Hause zu sein.«
»Na auch gut.« Amy war nicht unbedingt enttäuscht. Sie liebte es, mit Sue in diesem Zimmer zu sitzen, wenn das Feuer im Kamin knackte und Schatten an die dunkelroten Wände warf. Sie fühlte sich dann wie in einer gemütlichen Höhle.
Die beiden Frauen waren beinahe zwangsläufig Freundinnen geworden, hatten zueinander gefunden wie zwei einsame Engländerinnen in einem fremden Land, die sich in ihrer Isolation aneinander geklammert, instinktiv das verwandte Wesen der anderen gespürt hatten.
Sie spendeten sich gegenseitig Trost, Mut und Rat. Gelegentlich ließen sie auch Dampf ab, beklagten wütend das Benehmen ihres jeweiligen Unterdrückers. Aber meistens bemühten sie sich um humorvolle Distanz.
Sie hinderten sich gegenseitig, sich in Selbstmitleid oder unnötigen Schuldgefühlen zu ergehen. Zu Anfang ihrer Freundschaft hatte vor allem Sue im Übermaß Schuldgefühle gegenüber Brian gehabt. Aber Amy hatte sie ihr gründlich ausgetrieben.
Natürlich hatten sie auch einen Fluchtplan. Sue sollte eine berühmte Illustratorin von Kinderbüchern werden und ein kleines Haus kaufen, in dem auch Mandy Platz hatte, vorausgesetzt, sie wollte bei ihrer Mutter bleiben. Es sollte einen Garten besitzen, der groß genug für Enten und Hühner war. Amy würde ihren Roman verkaufen und ein Haus in der Nähe erwerben. Es sollte geräumig, luftig und modern sein, denn sie hatte genug von klappernden Heizungen, eiskalten Steinfußböden und muffig schimmeligen Schränken.
Wenn sie sich dann trafen, wollten sie ihre Gespräche in aller Ruhe und ohne den ständigen ängstlichen Blick zur Uhr führen.
»Ich wünschte«, erklärte Sue - sie sprachen noch immer über den Mord - »daß ich auf die Uhr geschaut hätte, als Max weggefahren ist.«
»Sie wüßten damit genau, wann Gerald noch am Leben gewesen ist.«
»Ich dachte, das könne man bei einer Obduktion feststellen.«
Bei dem Wort >Obduktion< erschauderten beide.
»Schätze, sie müssen mit ihm reden ... mit Max, meine ich. Es ist alles so peinlich. Schließlich haben wir ihn da mit reingezogen.«
»Hätte aber auch noch schlimmer kommen können.«
»Wie denn das?«
»Wenn wir Forsyth eingeladen hätten.«
Sie lächelten beide mit einer Mischung aus Scham und Erleichterung. Dann wechselte Sue das Thema. »Gestern ist was Nettes passiert. War bei euch auch der Polizist mit den roten Haaren?«
»Ja.«
»Er will ein Bild von Hector kaufen. Für seine Tochter.«
»Das ist doch toll! Wieviel willst du verlangen?«
»Keine Ahnung!«
»Zwanzig Pfund!« Sue schüttelte ungläubig den Kopf. »Mindestens. Er kriegt schließlich einen echten Clapton. Sag ihm, daß er eines Tages ein Vermögen wert sein wird.«
Amy wußte, daß sie sich die Bemerkung hätte sparen können. Sue würde die Zeichnung verschenken oder nur eine Spende für Green Peace verlangen.
»Methuen hat noch immer nichts von sich hören lassen.«
»Aber das ist doch gut.« Sue hatte vor fast drei Monaten einige ihrer illustrierten
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