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Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Titel: Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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daß der Whisky nach allen Seiten schwappte und bis an den Wandspiegel spritzte. Einige Tropfen trafen auch ihr Gesicht. Sie sah sich orientierungslos im Zimmer um. Unter ihren starren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Barnaby merkte, daß sie einer Ohnmacht nahe war, stand hastig auf und ergriff ihren Arm.
      »Kommen Sie, setzen Sie sich, Mrs. Hutton«. Er mußte den Arm um sie legen, denn sie schwankte stark, nachdem sie den Kaminsims losgelassen hatte. Er führte sie zu einem tiefen, breiten Sessel. »Sollen wir Ihnen einen Kaffee kochen?«
      »... Kaffee ...«
      Barnaby machte seinem Sergeant ein Zeichen. Woraufhin sich Troy widerwillig auf die Suche nach der Küche begab. Dort angekommen, dauerte es eine Weile, bis er die zum Kaffeekochen nötigen Utensilien zusammengesucht hatte.
      Schlichte Becher schienen hier Mangelware zu sein. Immerhin hingen einige Tassen an einem Haken unter dem Regalbrett über der Anrichte. Troy plazierte sie vorsichtig auf die Theke. Die zierlichen Henkel hatten die Form von Harfen, und auf dem Tassenboden prangten Aprikosen, Walnüsse und blaßgrüne, zart geäderte Blätter. Das Porzellan selbst war hauchdünn. Troy hielt eine Tasse gegen das Licht, bevor er sie auf die passende Untertasse stellte.
      Im Wohnzimmer begann Laura Hutton sich bereits wieder zu erholen. Barnaby beobachtete interessiert, wie sie sich abmühte, Haltung zu bewahren. Es war nicht zu übersehen, daß sie ihre voreiligen Enthüllungen, die Entblößung ihres romantischen Herzens bereits bereute. Für den Chefinspektor war das nichts Neues. Als Barnaby sich schließlich erkundigte, ob sie auch gesehen habe, wie Hadleighs Besucherin das Haus wieder verlassen habe, bekam er die barsche Antwort: »Wofür halten Sie mich? So schnell wie an diesem Abend bin ich noch nie wieder zu Hause gewesen.«
      »Und Sie haben das Haus danach nicht mehr verlassen, Mrs. Hutton?«
      »Selbstverständlich nicht.«
      Barnaby ließ die Angelegenheit einige Minuten auf sich beruhen. Er sah sich schweigend im Raum um. Die perfekte Kulisse für ein klassisches Drama. Nur die Kostüme stimmten nicht. Schließlich redete Laura Hutton weiter.
      »Ich habe mich vorübergehend damit getröstet, daß sie eine Prostituierte sein müsse. Eine dieser >Hostessen<, wie sie sich mittlerweile nennen. Ich meine ... um diese nächtliche Stunde in einem Taxi aufzukreuzen ...«
      »Das halte ich für durchaus wahrscheinlich, Mrs. Hutton.«
      »Oh? Meinen Sie wirklich?« In Laura Hutton war wieder Leben gekommen. »Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich ... aber sie hat mich an jemanden erinnert.«
      »Aha?« Barnaby sah abrupt auf. »Und an wen?«
      »Zuerst ist es mir nicht eingefallen. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, bis ich es schließlich wußte.« Sie lächelte zum ersten Mal und deutete über Barnabys linke Schulter. »An den jungen Mann dort.«
      Barnaby stand auf und drehte sich um. Hinter ihm an der Wand hing ein Ölgemälde ... das Porträt eines Knaben. Seine aufwendige Kleidung verriet den mittelalterlichen Prinzen.
      Der Maler hatte den jungen Mann neben einen Tisch mit einem Astrolabium gestellt. Den Hintergrund bildete eine Landschaft mit waldigen Hügeln und einem Wasserfall in der Mitte. Ein Engel schwebte mit glitzernden Flügeln am Himmel. In der unteren rechten Ecke fanden sich die Initialen >H.C.<
      »Ich habe es vor zwölf Jahren in Dublin erstanden«, erklärte Laura. »Bei einer Auktion für Möbel im Landhausstil. Hat mich meine gesamte Barschaft gekostet, aber ich dachte, es würde sich irgendwann lohnen. Letztendlich konnte ich mich allerdings nie überwinden, mich von ihm zu trennen.«
      Sie war neben Barnaby getreten, streckte den Arm aus und legte die Hand auf die mit kostbaren Ringen geschmückten Finger des Knaben. Das ganze Bild war von feinen Haarrissen überdeckt, und spinnwebenfeine Adern durchzogen auch die Haut des Prinzen.
      »Sieht er nicht traurig aus?«
      »Sehr traurig, ja.«
      Der Knabe trug seine schweren Kleider mit Anmut. In seinem weit auseinanderstehenden grünen Augen lag sehnsuchtsvolle Trauer, und ein melancholischer Zug spielte um den schön geschwungenen Mund. Barnaby hatte plötzlich das Gefühl, daß seine Blässe von Tränen herrühre, die er gerade vergossen hatte.
      »Für wie alt schätzen Sie ihn?« wollte Laura wissen.
      »Ich hätte auf fünfzehn getippt ... wenn die nicht wären.« Er deutete auf die wohl geformten,

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