Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
gewöhnt.«
Für Barnaby klang das alles sehr glaubhaft. Selbst ungeschminkt und vom Kummer der vergangenen Tage gezeichnet, war Laura Hutton mit dem tizianroten Haar noch ausgesprochen attraktiv.
»Ich habe mich schließlich mehr oder weniger zum Essen bei ihm eingeladen, ä deux, wie ich dachte. Nach allen Regeln der Kunst aufgetakelt bin ich bei ihm aufgetaucht. Die halbe Straße war versammelt.« Sie lachte humorlos. »Aber ich habe nicht aufgegeben, sondern mir vielmehr eingeredet, daß er schüchtern sei und deshalb beim ersten Mal die Verstärkung brauche. Ein paar Wochen später habe ich's dann wieder versucht. Er hatte gesagt, daß er Gemälde aus der viktorianischen Zeit mag. Ich hatte da ein kleines Ölbild im Laden ... eine ziemlich sentimentale Kaminszene, spätes achtzehntes Jahrhundert. Ich habe es eingepackt und bin damit am Nachmittag zu ihm gegangen. Zur Teezeit.
Als er mir die Tür aufmachte, war mir sofort klar, daß ich einen Fehler gemacht hatte. Er führte mich in die Küche, betrachtete das Bild, bewunderte es, aber erklärte, daß er leider keinen Platz mehr an der Wand dafür habe. Wir machten gequält Konversation, bis jemand an seiner Tür klingelte. Es war Honoria, die Stechwindenranken für die Kirche brauchte. Gerald war über diese Unterbrechung so grenzenlos erleichtert, daß es schon fast komisch anmutete. Er ist mit ihr in den Garten gegangen und hat Grünzeug abgeschnippelt, was nach einer längeren Aktion aussah.
Ich wollte nicht in den oberen Stock, aber plötzlich fand ich mich dort wieder. Vermutlich hielt ich es für eine Chance, mehr über ihn zu erfahren. Wo er schlief, welche Seife er benutzte ... lauter Unsinn. Ich weiß noch, daß ich seinen Pyjama unter dem Kissen vorgeholt und ihn an meine Wange gedrückt habe. Danach öffnete ich seinen Schrank, betastete seine Kleidung. Zwischendurch bin ich ständig zum Fenster gelaufen, um nachzusehen, ob die beiden noch draußen beschäftigt waren. In einer Kommodenschublade habe ich schließlich eine Schuhschachtel voller Fotos entdeckt. Ich habe eines herausgenommen. Ganz von unten, damit er es nicht merkt. Als ich es gerade in meinem BH steckte, hörte ich ihre Stimmen näher kommen. Ich bin runtergerannt, habe mein Bild gepackt, >Wiedersehen< gerufen und bin durch die Küchentür verschwunden.« Sie hielt inne und drehte ihr Glas zwischen den Handflächen.
»Danach habe ich es aufgegeben. Nicht, ihn zu lieben ... wenn ich das mal bloß gekonnt hätte. Aber den Versuch, Zweisamkeiten zu erzwingen. Ich hatte Angst, er würde den Autorenkreis verlassen, wenn ich zu aufdringlich wurde. So ging das monatelang. Dann schöpfte ich wieder etwas Hoffnung. Ich wußte natürlich von Grace und wie glücklich sie gewesen waren, aber niemand kann ewig trauern. Und die Annahme, daß er nicht nur mich verschmähte, sondern sich auch für keine andere Frau interessierte, tröstete mich ungemein. Ein falscher Trost allerdings, wie sich leider herausstellte.«
Es war lange still im Zimmer. Barnaby verhielt sich passiv. Schließlich nahm Laura den Faden wieder auf.
»Ich hatte mir angewöhnt, um sein Haus herumzuschleichen. Es war wie ein Zwang. Eine Droge. Nach Einbruch der Dunkelheit war ich wie versessen darauf, durch eines der Fenster einen Blick auf ihn zu erhaschen. Ich wußte, daß mich früher oder später jemand dabei sehen mußte. Aber ich konnte es einfach nicht lassen. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß es noch eine andere Seite an ihm geben mußte ... Kein normaler Mensch kann immer nur förmlich und diszipliniert sein ... völlig ohne Gefühle auskommen. Tja, und schließlich habe ich dabei tiefere Einblicke gewonnen, als mir lieb sein konnte.« Ihre Stimme klang brüchig.
»In der Nacht vor dem Mord habe ich mal wieder in die Küche geschaut, mich für mein würdeloses Benehmen wie immer gehaßt und plötzlich gehört, daß vor dem Haus ein Wagen vorfuhr. Daraufhin bin ich zur Baumgruppe am Rand des verwilderten Grundstücks gerannt. Das Auto war ein Taxi, aus dem eine Frau stieg. Sie bezahlte den Fahrer und klopfte an die Haustür. Die öffnete sich, und sie ging hinein. Ich war am Boden zerstört. Ich habe sie durch eine Öffnung in den Wohnzimmervorhängen beobachtet. Sie wirkte sehr elegant in ihrem schwarzen Kostüm und mit dem langen blonden Haar. Er hatte ihr Wein eingeschenkt, und sie hat ihm zugeprostet, ihm zugeprostet...«
Lauras Hand mit dem Glas schoß in die Höhe, so
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