Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
täglich von Kleinkindern umringt, deren Tränen getrocknet, Wunden verarztet und Wutanfälle beruhigt werden mußten. Und, was Sue am meisten Freude bereitete, die ihre Geschichten hören wollten.
Bei diesem Gedanken kam Sue abrupt in die Wirklichkeit zurück. Sie sprang auf und drehte die Uhr zu sich herum. Entwarnung! Es war noch eine halbe Stunde Zeit. Sie machte den Schrank unter der Treppe auf, wo sie ihre Farben, Stoffe, Füllmaterial und Leim aufbewahrte. Am Vorabend hatte sie zehn Fingerpuppen angefertigt ... bunt bemalte Affen, Kobolde, Hexen und Dinosaurier.
Nachdem sie ihre Tasche gepackt hatte, setzte sich Sue wieder an den Tisch und las ihre Checkliste durch. Ganz unten stand: Versuchen Rex zu erreichen.
Sie war am Vorabend wieder bei ihm gewesen. Doch es hatte niemand geöffnet. Dabei hatte sie Montcalms Bellen gehört. Sie war davon überzeugt, daß Rex zu Hause sein mußte. Das alles sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Denn mit Ausnahme der ihm heiligen Zeit, wenn er an seinem Manuskript arbeitete, freute er sich stets über jeden Besuch. Gelegentlich war er davon sogar derart begeistert, daß Gäste große Mühe hatten, sich wieder loszueisen.
In diesem Moment kam die Post. »Lieber Gott, laß einen Brief von Methuen dabei sein!« sagte sie laut vor sich hin und rannte zur Tür. Aber es war nur eine Werbesendung des Ladens, in dem Brian seinen Camcorder gekauft hatte.
Gegen halb zehn Uhr morgens, nachdem Barnaby die Berichte der Spurensicherung durchgearbeitet hatte, stand er erneut in der Einsatzzentrale und teilte den Ermittlungsteams seine unbefriedigenden Schlußfolgerungen mit.
»Auf der Mordwaffe wurden lediglich die Fingerabdrücke der Putzfrau, Mrs. Bundy, gefunden. Ein Abdruck ist ganz deutlich, die restlichen sind verwischt. Vermutlich von der Person, die Hadleigh damit den Schädel eingeschlagen hat. Der Mörder hat Handschuhe getragen. Vermutlich Lederhandschuhe. Ob Fingerabdrücke aus unserer Kartei dabei sind, ist noch ungewiß. Die Spurensicherung arbeitet daran. Wir haben mittlerweile die Fingerabdrücke sämtlicher maßgeblicher Leute ... bis auf die von Mrs. Lyddiard, die sich offensichtlich nicht traut, sich gegen ihre Schwägerin durchzusetzen. Miß Lyddiard weigert sich ja kategorisch, ihre Abdrücke abzugeben.«
»Vielleicht sollte ihr dann jemand mal klarmachen, wie wichtig das für uns ist«, warf Inspektor Meredith ein und fügte hastig hinzu: »Sir.«
»Ja wirklich, das sollte jemand mal tun«, erwiderte Barnaby und konnte sich ein frostiges Lächeln nicht verkneifen. »Wenn Sie später sowieso im Dorf sind ... schlage ich vor, daß Sie diese Aufgabe übernehmen, Inspektor.«
»Mit Vergnügen, Chefinspektor.«
»Leider«, fuhr Barnaby zufrieden fort, »ist die Untersuchung von Hadleighs Nägeln ergebnislos geblieben. Weder Hautpartikel noch Haare oder Fusseln wurden gefunden. Sieht also ganz so aus, als habe er sich überhaupt nicht gewehrt. Es ist kaum anzunehmen, daß das seine freie Entscheidung war. Ich glaube vielmehr, Doc Bullard liegt mit seiner Einschätzung richtig: Der erste Schlag, der vermutlich völlig unerwartet für ihn kam, muß ihn sofort getötet oder zumindest außer Gefecht gesetzt haben.
Bei der Kommode hatten wir etwas mehr Glück. Trotz des Wachspapiers, mit dem die Schubladen ausgeschlagen waren, wurden Partikel von blaßblauem Kaschmir gefunden. Was nur bedeuten kann, daß in den Schubladen hauptsächlich Wollsachen untergebracht waren. Allerdings auch nicht gerade eine Offenbarung, fürchte ich. Die Laboranalyse von Jennings Schuhen war negativ. Im Garten fanden sich keine Abdrücke. Nicht mal die von Laura Hutton, mit denen wir sicher gerechnet hatten. Der Regen hat gründliche Arbeit geleistet.
Unsere Nachforschungen in den Seehäfen haben ebenfalls nichts ergeben. Jennings hat das Land nicht verlassen. Weder mit noch ohne seinen Mercedes. Jedenfalls nicht unter seinem richtigen Namen. Dafür haben wir aber den Taxifahrer gefunden. Ein Mister ...« Er warf einen Blick auf seine Notizen. «... Winston Mogani hatte Schicht, als am Abend des Sechsten kurz vor halb elf eine Frau nach Midsomer Worthy gefahren werden wollte. Eine Adresse hat sie nicht genannt, ihm lediglich eine Wegbeschreibung gegeben. Mehr haben die beiden nicht miteinander gesprochen. Mr. Winston konnte uns nur eine reichlich oberflächliche Beschreibung der Dame liefern. Für ihn war sie lediglich blond und schon etwas
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