Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
mischte sich jetzt Troy ein, »daß Hadleigh derjenige gewesen sein könnte, der in der Lage war, Jennings zu erpressen?«
»Schließlich hat er das Treffen inszeniert.« Meredith konnte seine Ungeduld angesichts der Begriffsstutzigkeit seiner Umgebung kaum noch verbergen.
»Zwangsweise.«
»Oh ... daran glaube ich nicht. Er hätte die Einladung verhindern können ... wenn er nur gewollt hätte.«
Barnaby knurrte zustimmend. Das war auch seine Meinung. Er hatte von Anfang an den Eindruck gehabt, daß die Gefühle des Mannes hinsichtlich des Treffens mit Jennings wesentlich zweideutiger waren, als er gegenüber St. John ... oder vor sich selbst ... eingestanden hatte. Meredith spann seine Theorie weiter.
»Jennings hatte verdammt viel zu verlieren ...«
»Das käme ja wohl auf die Art seiner Verfehlung an«, fiel Barnaby ihm ins Wort. »Heutzutage ist es doch schon so, daß mal abgesehen vom sexuellen Mißbrauch von Kindern, Tieren und vielleicht noch Musikinstrumenten, kriminelle Handlungen das Ansehen eines Autors nur steigern können. Und damit natürlich auch die Auflagen seiner Bücher.«
»Sie glauben also, daß Hadleigh versucht hat, Jennings zu erpressen«, hakte Troy nach. »Und Jennings soll ihn aus Angst vor öffentlicher Bloßstellung umgebracht haben?«
»Das halte ich durchaus für denkbar, Sergeant. Ja.«
»Warum, bitteschön, hat er dann«, fuhr Troy fort und versuchte nicht allzu triumphierend zu klingen, »St. John gebeten, ihn unter keinen Umständen mit Jennings allein zu lassen?«
»Weil er ihn absichtlich irreführen wollte.« Wieder schwang der unausgesprochene Unterton >Sie Blödmann< mit. »Es war die reinste Schnitzeljagd.«
»Die was?« Barnaby betrachtete Meredith belustigt und ungläubig zugleich. Durch die Bemerkung des Chefinspektors schien der allgemeinen Heiterkeit plötzlich keine Grenze mehr gesetzt. »Sie sind hier nicht in einem Roman unserer guten alten Agatha Christie. Ich glaube, Sie haben zuviel Poirot im Fernsehen gesehen, Ian.
Wenn es keine anderen phantasievollen und unterhaltsamen Einsichten mehr gibt, dann sollten wir für heute Schluß machen. Die nächste Besprechung ist morgen um neun. Unvorhergesehene Entwicklungen ausgenommen. Bevor Sie gehen, Meredith ... auf ein Wort.«
Der Raum leerte sich, und die Nachtschicht rückte nach. Troy verschwand in Richtung Chefbüro, um seinen Mantel zu holen. Einige Minuten später trudelte dort mit zufriedener Miene auch Barnaby ein. Sie knöpften sich ihre Mäntel gegen die Kälte bis unters Kinn zu und gingen auf den Parkplatz hinaus.
»Manchmal kapiere ich einfach nicht, wovon Meredith eigentlich redet. Warum kann er sich nicht ausdrücken wie jeder andere auch?«
»Ach, mein Lieber ... das sind die Freuden einer akademischen Bildung. Benutze nie ein einfaches Wort, wenn du's auch kompliziert sagen kannst.«
»In welchem Fach hat er denn eigentlich einen akademischen Titel?«
»In Geowissenschaften, glaube ich.«
»Aha«, murmelte Troy und war seltsam erleichtert. »Geowissenschaften.« Er hielt für Barnaby die große Eingangstür auf. »Soll ich Ihnen mal was sagen, Chef? Der Junge hat einen Sprung in der Schüssel.«
»Ach ja?« Barnaby und sein Wasserträger warfen sich lächelnd einen Verschwörerblick zu.
»Gute Nacht, Sir.«
»Gute Nacht, Gavin!«
Barnaby blieb einen Moment lang stehen und sah zu dem kalt blinkenden Sternenhimmel empor. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß ihm die Sterne heute kein Glück bringen würden. Und prompt fing es auf der Heimfahrt nach Arbury Crescent an zu schneien.
* ZWISCHEN DEN ZEILEN
Joyce Barnaby stand in einem warmen Morgenmantel an ihrem Küchenherd. Sie gab einige Tropfen Öl über das Spiegelei in der Pfanne. Weiße Spuren durchzogen das hellorange Dotter. Joyce war sich durchaus bewußt, daß sie das falsche Frühstück zubereitete ... das Ei hätte gekocht und im Glas serviert werden müssen, aber Tom war am Vorabend zu müde gewesen, um etwas zu essen. Deshalb war sie der Meinung, er habe sich ein besonderes Frühstück verdient. Der gegrillte Speck war ganz mager, und den von ihm bereits verspeisten Porridge hatte sie mit Hafer und Kleie gemischt, um den Cholesterinspiegel zu senken und ihn mit den nötigen Vitaminen zu versorgen.
»Oh, Katze!« Der köstliche Duft hatte Kilmowski auf den Plan gerufen, der bereits außerordentlich ausgiebig gefrühstückt
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