Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
fördern. Auf einem der Stühle mit den folterartig steilen Lehnen lag zusammengerollt eine gestreifte Katze und schlief fest. Nur gelegentlich zuckten ihre Ohren. Troy deutete in diese Richtung.
»Muß entweder Tibbles oder Delaney sein.«
»Kommen Sie mir ja nicht mit Katzen!«
»Kann ich mir noch eine Zigarette anstecken? Was meinen ...«
»Nein.«
Barnaby hatte recht. Im nächsten Moment öffnete sich eine Tür in der Wandtäfelung, und Mr. Jocelyne, ein kleiner Mann mit vorgewölbter Brust und kleinen Händen und Füßen, kam auf sie zu. Barnaby fühlte sich an eine Taube erinnert. Alles an dem Anwalt war Grau - sein Anzug, sein lockiges Haar und sein Hemd. Selbst seine Nägel hatten eine blau-graue Färbung. Die Haut wirkte knittrig und trocken wie Papier.
»Ah, da sind Sie ja endlich!« begrüßte er die beiden Beamten, so als hätten sie ihn warten lassen. »Kommen Sie! Kommen Sie!«
Jocelynes Büro stellte sich als ebenso muffig und langweilig wie das Vorzimmer heraus. Nachdem Barnaby und Troy sich gesetzt hatten, verschwand der Anwalt beinahe hinter seinem gewaltigen Schreibtisch. »Entsetzliche Geschichte! Entsetzliche Geschichte!« erklärte er.
Barnaby hoffte inständig, daß der Mann nicht die Angewohnheit hatte, alles zweimal zu sagen. Er hatte nämlich ganz und gar nicht die Absicht, hier Wurzeln zu schlagen.
»Nett, daß Sie uns die üblichen Formalitäten ersparen, Mr. Jocelyne.«
»Ich bitte Sie, Chefinspektor. In einem Mordfall!«
Mr. Jocelyne zog eine Kassette zu sich heran, die auf dem Schreibtisch bereitstand. Er öffnete sie und nahm einen Umschlag heraus, der Hadleighs Testament enthielt. Das teure Papier knisterte, als er das Kuvert öffnete, das Dokument auffaltete und glattstrich.
»Mr. Hadleigh verfügt in seinem Testament, daß sein gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen an das Emmanuel College in Cambridge und an die Central St. Martins School of Art and Design gehen soll, um jeweils ein Stipendium in Literatur und Kunst für junge talentierte, aber mittellose Studenten zu finanzieren. Aus der Verfügung geht hervor, daß sämtliche Modalitäten mit den beiden Lehranstalten im Vorfeld besprochen und abgeklärt wurden.«
»Demnach handelt es sich um ein größeres Vermögen?«
»So ist es. Mr. Hadleigh hat klug investiert. Wir sprechen hier über eine Summe von rund achthunderttausend Pfund. Ohne das Haus versteht sich.«
Barnaby versuchte sein Erstaunen zu verbergen und erkundigte sich nach dem Datum des Testaments.
»13. Februar 1982. Die einzige Änderung seither war die Bestellung eines anderen Testamentsvollstreckers. Als Mr. Hadleigh nach Midsomer Worthy gezogen ist, brauchte er einen Anwalt in seiner Nähe und hat mir die Angelegenheit übertragen.«
»Und wer ist Ihr Vorgänger als Testamentsvollstrecker gewesen?«
»Die Firma, die das Testament aufgesetzt hat.«
»Ich brauche die exakten Details. Auch die Adresse, die Mr. Hadleigh damals angegeben hat.«
Mr. Jocelyne zog einen bleigrauen Füllfederhalter aus der Innentasche seines Jacketts und schrieb etwas auf einen Zettel, den er Barnaby reichte.
»Mr. Jocelyne, wie gut haben Sie Ihren Klienten gekannt?«
»Gar nicht. Er war einmal hier, um die nötigen Formalitäten zu erledigen. Danach habe ich ihn nie wieder gesehen.«
»Verstehe. Mr. Hadleighs Vermögen ist beträchtlich. Wissen Sie, ob er einen Finanzberater hatte?«
»Keine Ahnung.« Mr. Jocelyne schienen seine für die Kriminalbeamten kaum hilfreichen Antworten ausgesprochen zufrieden zu stimmen. Er lächelte jetzt freundlich.
»Nach allem, was Mr. Hadleigh über sich erzählt hatte, scheint er von Kent nach Midsomer Worthy gezogen zu sein ...«
»Es geht mich kaum etwas an, woher er ursprünglich kam, Chefinspektor«, entgegnete Mr. Jocelyne.
Je weniger aussagekräftig seine Antworten, desto liebenswürdiger wurde der Anwalt. Nachdem er alle weiteren Fragen kurz und bündig negativ beantwortet hatte, strahlte er geradezu. Als sie sich verabschiedeten, war er schon beinahe überschwenglich.
Draußen auf der Straße zögerte Barnaby. »Ich könnte jetzt was Warmes im Magen vertragen«, seufzte er. »Trinken wir einen Kaffee bei Bunter's.«
»Bunter's?« Troy starrte ihn verblüfft an.
»Warum nicht?«
Barnaby wußte schon, warum nicht, und tat es dennoch. Die beiden Polizisten ließen sich von der eleganten
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