Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
abgelehnt haben.«
»Und die wären?«
Sein Interesse schien geweckt. Sue fahndete verzweifelt nach vernünftigen Gründen, während sie äußerlich ganz ruhig zu bleiben versuchte. »Hm ... fragen wir uns doch mal, weshalb Gerald, was seine Vergangenheit betraf, so verschwiegen gewesen ist.«
»War er doch gar nicht...«
»Ich bitte Sie, Rex! Natürlich war er das. Warum um Himmels willen glauben Sie, kann ein kleiner Beamter mit Anfang Vierzig aus dem Landwirtschaftsministerium in Frühpension gehen, sich ein Haus wie >Plover's Rest< kaufen, einen teuren Wagen fahren und ein sorgloses Leben führen, ohne zu arbeiten?«
»Himmel!« Rex starrte Sue mit leicht geöffnetem Mund an. »Das habe ich mir nie überlegt!«
»Was ist, wenn Gerald gar nicht fürs Landwirtschaftsministerium, sondern für den MI 5 gearbeitet hat? Vielleicht rührte die Bekanntschaft zwischen Gerald und Max aus dieser Zeit her. Wer weiß, was sie zusammen erlebt haben ... sind vielleicht gemeinsam durch die Hölle gegangen ... haben sich gegenseitig das Leben gerettet... Und irgendwann wollte Gerald möglicherweise aussteigen. Die Regierung hat ihm eine neue Identität verschafft. Schon aus diesem Grund konnte er die Bekanntschaft mit Jennings natürlich nicht auffrischen.« Sue hatte sich immer mehr in Rage geredet.
»Mein Gott, jetzt geht mir ein Licht auf.«
»Das Leben ist hart, Rex.«
»Armer Teufel!«
»Natürlich wollte er auf keinen Fall, daß diese unselige Vergangenheit wieder ausgegraben wird.«
»Warum hat er nichts gesagt? Ich hätte das doch verstanden. Es ist schließlich mein Fachgebiet.«
»Diese Leute haben einen Eid geleistet.«
Rex nickte ernst. »Richtig.«
Nachdem sie noch eine Weile nachdenklich am Küchentisch gesessen hatten, hielt Sue die Zeit für gekommen, sich wieder praktischen Dingen zuzuwenden. Sie wusch Rex' Gesicht und seine Hände und überredete ihn, sich zu rasieren. Sie brühte frischen Tee auf und machte eine Einkaufsliste.
»Ich hole die Sachen morgen früh«, versprach sie.
»Danke.«
»Ich stelle jetzt den Heißwasserboiler an. Versprechen Sie mir, ein Bad zu nehmen und danach ausgiebig zu schlafen?«
Rex versprach es. Erschöpfung und ein neues Glücksgefühl hatten ihn müde gemacht.
»Morgen früh ziehen Sie dann frische Sachen an. Die alten nehme ich mit und wasche sie.« Sie beugte sich über den Tisch und gab ihm einen Kuß auf die faltige Stirn. »Wieder alles in Ordnung, Rex?«
Rex unterdrückte ein Gähnen, und Montcalm, der zu Füßen seines Herrn gesessen hatte, lächelte sein seltsames Hundelächeln, indem er die Zähne bleckte, die Nasenlöcher blähte und das Maul leicht öffnete.
Und in dieser positiven Stimmung hatte Sue die beiden allein gelassen. Herr und Hund waren in der schummrigen, schmuddeligen Küche weit weniger verzweifelt zurückgeblieben, als sie sie angetroffen hatte. Dennoch: Sue traute dem Frieden noch nicht. Sie mußte am Ball bleiben.
Sue hörte auf, an den Nägeln zu kauen, sprang vom Sofa und wanderte unruhig auf und ab. Um Rex wieder auf den rechten Weg zu führen, brauchte sie Verstärkung. Außerdem mußte er daran gehindert werden, die Mär von Geralds Agententätigkeit im ganzen Dorf zu verbreiten.
Sie blieb abrupt stehen. Es gab jemanden, bei dem sie sich Rat und Unterstützung holen konnte. Sie war mit dieser Person weder befreundet, noch hatte sie mit ihr etwas gemeinsam. Sie war lediglich ebenfalls ein Mitglied des Autorenkreises. Und als solche auch an Rex' Erlebnissen interessiert.
Sue setzte sich mit dem Telefon wieder auf die Couch und wählte Lauras Nummer.
Laura war letztlich froh, daß sie sich doch in die Arbeit gestürzt hatte. Angenehme Dinge waren geschehen; Dinge, die sie noch vor dem vergangenen Montag kaum registriert hätte. Aber mittlerweile wirkten diese kleinen Episoden geradezu aufheiternd. Sie beschloß, die besagten Vorfälle als gutes Omen anzusehen, als Wegweiser aus dem seelischen Morast, in dem sie sich so glück- und hilflos verfangen hatte.
Als erstes fand sie zwei Schecks in der Post, mit denen sie schon gar nicht mehr gerechnet hatte. Dann war sie von Adrian McLaren, dem Mann, der ihr den Leinenschrank in seinem Landrover gebracht hatte, zu einem Drink eingeladen worden. Sie hatte die Einladung zwar nicht angenommen, doch eine schmeichelhafte Genugtuung war geblieben.
Und das beste von allem war das
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