Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Mittagessen bei ihren Nachbarn, den Inhabern des Buchladens von nebenan. Die Beziehung zwischen Laura und den beiden Buchhändlern war von vornherein freundschaftlich gewesen. Sie nahmen gegenseitig Pakete an und achteten auf den Laden des jeweils anderen, sobald einer abwesend war. Gelegentlich wurde Laura von Avery Phillips auch auf >ein Süppchen mit einer Kleinigkeit eingeladen. Laura nahm die Einladung stets gern an, denn Avery war ein ausgezeichneter Koch.
Wie immer war im Zimmer über der Buchhandlung ein Tisch vor dem Erkerfenster mit Leinendecke, Bistro-Besteck, weißem Geschirr und Weingläsern gedeckt. Auf dem Tisch stand bereits eine entkorkte Flasche guten Rotweins.
Tim Young, Averys Partner, rückte einen Stuhl für Laura zurecht, und Avery servierte Curry-Kürbissuppe mit Fladenbrot, Ziegenkäse und marinierten Fenchel. Er schenkte Wein aus, und sein Aroma rundete die einzelnen Gaumenfreuden perfekt ab.
Laura genoß jeden Bissen und lauschte den beiden Buchhändlern, die über Steuerrückzahlung, den Immobilienmarkt und die Gemeinheiten der Banken im allgemeinen munter plauderten.
Laura knabberte an einer griechischen Olive, die leicht nach Koriander schmeckte, und blieb schweigsam. Nach dem Essen kehrte das schmerzliche Gefühl von Isolation und Einsamkeit zurück. Sie leerte ihr Weinglas in einem Zug.
»Was ist eigentlich los?« erkundigte sich Tim. »Was ist mit dir?«
Sie sah in sein schmales dunkles Gesicht und die Augen, die sie so besorgt musterten. Tim war ein sehr hilfsbereiter, mitfühlender junger Mann. Vielleicht war es das, was sie veranlaßte, die Wahrheit zu sagen. Vielleicht war ihr auch einfach nur der Wein zu Kopf gestiegen.
»Jemand ... ein Freund ist gestorben.«
»Oh, Laura!« Tim griff über den Tisch nach ihrer Hand. »Das tut mir sehr leid.«
»Mein Gott, und wir plappern die ganze Zeit so belangloses Zeug«, sagte Avery. Er füllte ihr Glas nach. »Trink erst mal einen guten Schluck, Herzchen.«
»Möchtest du darüber reden?«
Und Laura wollte reden. Darüber war sie selbst am meisten überrascht. Sie erzählte den beiden die ganze Geschichte, von ihrer ersten Begegnung mit Gerald angefangen bis zum bitteren Ende.
»Eigentlich habe ich immer gedacht, daß man jemand nur genug lieben muß, um letztendlich wiedergeliebt zu werden«, schloß sie traurig. »Aber das war der Irrtum meines Lebens ...«
»Oh, Schätzchen! Nimm's dir nicht so zu Herzen!« Avery zückte ein großes seidenes Einstecktuch und reichte es ihr mit eleganter Geste. Laura putzte sich die Nase. »Bei allem Respekt ... der Typ muß ein ziemlich blindes Huhn gewesen sein. Du lieber Himmel... wenn ich nicht schwul wäre, würde ich meine Tage und Nächte damit verbringen, durch deinen Briefschlitz zu schmachten. Du nicht auch, Tim?«
»Absolut.« Tim stand auf und legte leicht die Hand auf Lauras Schulter. »Kaffee?«
»Ja, gern.« Der schwere Wein hatte sie ein wenig schwindelig gemacht.
Während der Kaffee frisch gemahlen und aufgebrüht wurde, blieb Lauras kleine private Tragödie das Gesprächsthema.
Tim und Avery nahmen an allem mitfühlend Anteil. Schließlich jedoch konnte sich Avery die Frage nach Max Jennings und ihrem Eindruck von dem berühmten Schriftsteller nicht länger verkneifen. Als Laura alles zur Zufriedenheit beantwortet hatte, erkundigte sich Tim unvermittelt, ob sie schon daran gedacht habe umzuziehen.
»Ob ich umziehe? Du meinst mit dem Laden?«
»Nein, nein. Aus dem Haus im Dorf. Offenbar bist du dort doch schrecklich unglücklich gewesen«, fuhr er fort. »Seit du diesem Gerald verfallen warst, meine ich. Wenn du bleibst, wirst du die Erinnerungen daran nie los.«
So kam es, daß Laura fünf Stunden später auf ihrem zierlichen türkisblauen Sofa inmitten einer Flut von Unterlagen saß, die ihr Caustons zahlreiche Immobilienmakler hatten zukommen lassen. Einen der Makler erwartete sie bereits um zehn Uhr am nächsten Morgen. Er sollte ihr Haus schätzen. Laura hatte sich Tims Vorschlag mit einer Schnelligkeit zu eigen gemacht, daß sie kaum begriff, nicht selbst darauf gekommen zu sein.
Sie war seitdem ... zwar nicht leichten Herzens, dazu war es einfach noch zu früh, aber sie hatte das Gefühl, eine wichtige Hürde genommen zu haben. Jetzt, da es Gerald nicht mehr gab, nie mehr geben würde, war sie entschlossen, nicht ihre Gefühle für ihn, aber die Qualen dieser Liebe
Weitere Kostenlose Bücher