Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
angelegt. Da kann sie schon gesehen haben, daß einer seinen Kaffee stehenläßt, und ist rasch rübergeflitzt.«
»Was würden Sie sagen, wie groß sie war?«
»Oje, ich weiß wirklich nicht...«
»Muß nicht genau sein. Nur Ihr genereller Eindruck.«
»Für eine Frau war sie ziemlich groß, würd ich sagen. Ein ganzes Stück größer als ich.«
»Haben Sie mit ihr gesprochen?«
»Also, ich wollte gerade rübergehen, aber als sie mich kommen sah, hat sie ihr gammeliges Einkaufsnetz genommen und ist abgehauen.«
»Das könnte jetzt sehr wichtig sein, Miss Lo. Ist Ihnen aufgefallen, ob der Mann, der den Kaffee bestellt hat, irgendeine Tasche oder Mappe bei sich hatte?«
»An der Theke hatte er bestimmt nichts bei sich. Er hat nämlich das Tablett mit beiden Händen getragen.«
»Aber er hätte irgendwas an dem Tisch abstellen können, an den er sich setzen wollte?«
»Das hätte er, aber mir ist nichts aufgefallen. Tut mir leid.«
»Sie haben also dieses Einkaufsnetz zum erstenmal gesehen, als die alte Frau damit weglief?«
»Das stimmt.«
»Haben Sie zufällig gesehen, was drin war?« Barnaby stellte diese Frage ohne große Hoffnung. Der ganze Zwischenfall schien sich innerhalb von Sekunden abgespielt zu haben.
»Äh, eigentlich nur Zeitungspapier. In Zeitungspapier eingewickelte Päckchen.«
»Kleine Päckchen?«
»Tut mir leid.« Sie breitete die Arme aus, drehte die Handflächen nach oben und zuckte die Achseln.
»Haben Sie dann die Kaffeetasse abgeräumt?«
»Ja.«
»Und bezüglich des Datums sind Sie sich sicher?«
»Ziemlich sicher. Meine Freundin am Air-Indonesia-Schalter versucht seit ewigen Zeiten, mir einen billigen Flug nach Hongkong zu besorgen, und am Montag hat sie ihn endlich gekriegt.«
»Können Sie irgendwelche Zeitangaben machen?« fragte der Chief Inspector.
»Nicht so richtig. Ich hab um acht angefangen und war vielleicht seit einer Stunde hier. Vielleicht auch länger.«
Brenda hatte ihre Eltern um neun angerufen. Barnaby versuchte das in die neu erworbenen Kenntnisse einzubauen, die immer noch zu dürftig waren, um ein vollständiges Bild zu ergeben.
Es war nicht einfach. Wenn sie Hollingsworth tatsächlich verfolgt hatte, hätte sie kaum riskiert, ihn zu verlieren, indem sie sich Zeit für einen Anruf nahm. Also mußte der gemacht worden sein, nachdem Brenda, die zu dieser Zeit »ziemlich durcheinander« war, suchend oben an der Treppe gestanden hatte. Hatte sie Hollingsworth in dem Gewimmel von Menschen entdeckt? Ihn eingeholt? Sich mit ihm zum Essen verabredet? Das schien wenig wahrscheinlich, aber wer war dann der Freund oder die Freundin, von dem sie geredet hatte?
»Hatte noch jemand mit Ihnen Dienst, Miss Lo?«
»Ja, aber nicht vorne an der Theke, als es passierte, sondern hier in der Küche.«
»Na schön. Ich möchte Sie jetzt bitten, mit uns zur Polizeidienststelle Heathrow zu kommen, und Ihre Aussage zu unterschreiben. Vielleicht wird man Sie auch bitten, bei der Erstellung eines Phantombilds von dieser älteren Frau mitzuhelfen.«
»Aber ich hab sie doch nur einen Augenblick gesehen.«
»Das macht nichts. Machen Sie’s einfach so gut, wie Sie können.«
Sie nahm eine Jacke aus weißer Spitze, und dann verließen sie gemeinsam das Flughafengebäude über die Treppe, die erst Alan und dann Brenda hinuntergegangen waren.
Barnaby sollte allerdings nie von dem dunkelhäutigen Jungen in dem verschwitzten T-Shirt erfahren. Dem Jungen, der die Kriegsspielautomaten traktiert, nach Kleingeld gefragt und sich über Brendas Verzweiflung lustig gemacht hatte. Der hätte ihnen nämlich am meisten weiterhelfen können. Aber er war zu diesem Zeitpunkt längst in Ägypten.
* 9
Am nächsten Morgen kamen nur noch vereinzelt Meldungen herein, daß Simone Hollingsworth irgendwo gesehen worden wäre. Das Interesse an ihr hatte offenkundig bereits nachgelassen. Und Brendas Tod hatte trotz der öffentlichen Hinweise auf eine mögliche Verbindung zum Fall Hollingsworth die Phantasie der Leute nicht so sehr angeregt. Deshalb ging es in der Einsatzzentrale viel weniger hektisch zu, was aber nicht allen gelegen kam. Sergeant Troy zum Beispiel blühte erst richtig auf, wenn das Adrenalin floß.
Die Informationen, die immer noch hereinkamen, waren zwar ganz hilfreich, aber alles andere als aufregend. Sie dienten eher dazu, nutzloses Zeug
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