Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
und ging zum Treppenabsatz zurück. Er beugte sich über das Geländer und fühlte sich elend und betrogen. Ein Verlangen, das unrettbar vergiftet war, schnürte ihm das Herz ab.
Aus dem Schlafzimmer hörte er Barnabys Stimme, doch die Worte schienen aus weiter Ferne zu kommen und hallten merkwürdig wider. Troy fürchtete, zum ersten Mal im Leben in Ohnmacht zu fallen.
»Simone Hollingsworth«, begann der Chief Inspector, »Sie stehen unter Verdacht, Ihren Ehemann Alan ermordet zu haben, Sie sind festgenommen. Sie brauchen nichts zu sagen...«
Damit wurde er beim Wort genommen. Simone war jetzt seit knapp zwei Stunden in Haft und hatte konsequent geschwiegen bis auf einen Anruf bei der Anwältin von Penstemon, die jedoch nicht vor sieben Uhr abends aufs Revier kommen konnte.
Während er auf Jill Gamble wartete, beraumte Barnaby ganz kurzfristig eine Besprechung an, zu der sich natürlich nur die Männer und Frauen aus dem Hollingsworth-Team in der Einsatzzentrale einfanden, die gerade Dienst hatten.
Audrey Brierley war anwesend, Gavin Troy nicht. Er hatte das Handtuch geschmissen, und diesmal fand Bar-naby diesen Ausdruck durchaus angemessen. Obwohl er kurz vor einem Zusammenbruch stand, wäre Troy natürlich eher gestorben, als vor anderen in Tränen auszubrechen. Er hatte seinen Schmerz gegen sich selbst gekehrt und sich darauf gestürzt wie ein besiegter Krieger auf sein Schwert, hatte seine Gefühle verstümmelt und im Zorn versucht, das zu töten, was gerade erst gekeimt war. Zutiefst verletzt und aus Liebe zum Narren gemacht, war er zu nichts mehr zu gebrauchen, und Barnaby hatte ihn nach Hause geschickt.
Die Leute standen im Raum herum, öffneten mit lautem Plop Getränkedosen oder standen am Wasserkessel an, um sich einen Kaffee zu machen. Einige entfernten die Verpackungen von Schokoriegeln, andere rissen Chipstüten auf. Sämtliche Anrufe wurden in ein anderes Büro umgeleitet, wo Telefonistinnen die Gespräche entgegennahmen. In der Luft lag eine gewisse gespannte Erwartung.
Bisher hatte der Chief Inspector ihnen den Sachverhalt nur in groben Zügen erklärt. Alle wußten, daß Simone Hollingsworth festgenommen worden war und warum. Doch was sie wirklich interessierte, waren die schmutzigen Details, das sogenannte Drumherum.
Doch da das Objekt von Barnabys Ausführungen bisher schwieg, konnte sein Bericht natürlich nur eine spekulative Nachstellung der Ereignisse sein statt einer Auflistung bekannter Tatsachen. Dennoch freute er sich darauf, das Netz von Mutmaßungen zu entwirren, in dem sie alle gefangen gewesen waren. Wie seine Tochter hatte er Sinn für theatralische Effekte. Und nun meine Damen und Herren, werde ich vor Ihren Augen, direkt vor Ihren Augen...
Aber - Barnaby wühlte in seinen Unterlagen - wo sollte er anfangen? Kein Verbrechen findet in einem luftleeren Raum statt, und er hatte das Gefühl, daß in diesem Fall die Anfänge weit zurückreichten. Ganz bestimmt bis zum Beginn der Ehe, vielleicht sogar noch weiter zurück. Vielleicht bis zu dem Augenblick, wo die Schwarze Witwe diese große, saftige Fliege erspäht hatte.
»Was hat Sie veranlaßt, sie in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen, Chief Inspector?« preschte Sergeant Beryl vor.
»Da gab es kein bestimmtes Ereignis. Es war eher eine Ansammlung von Hinweisen, Informationsfetzen und Gesprächen, mit denen wir zunächst nicht viel anfangen konnten, die sich aber im nachhinein als bedeutsam erwiesen.«
Das könnte ein guter Ausgangspunkt sein. Das Dorf selbst nämlich, Fawcett Green, und seine Meinung über die zweite Frau von Alan Hollingsworth.
»Das erste, was mir bei Simone merkwürdig vorkam, war, daß jeder, mit dem ich sprach, sie exakt auf die gleiche Weise beschrieb. Das ist in der Tat sehr merkwürdig. Normalerweise, wenn man ein halbes Dutzend Leute nach ihrer Meinung über eine bestimmte Person fragt, bekommt man sechs verschiedene Antworten. Aber in diesem Fall tauchten immer wieder dieselben Adjektive auf. Mrs. Hollingsworth sei wehmütig, einsam, kindlich und nicht allzu intelligent. Sie langweile sich schnell und verhielte sich trotz der offenkundigen Brutalität ihres Mannes wie eine gefügige und liebevolle Ehefrau.«
»Weiß nicht, ob das so offenkundig war.« Audrey klang ein wenig stur. »Wir haben dafür nur die Aussage des Arztes.«
»Ich werde noch darauf zurückkommen. Worauf ich im Augenblick hinaus will, ist, daß Simone, im
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